Der Krieg am Ende der Welt
Hauswand zu setzen: »Mein Onkel und meine Tante haben eingetrieben, was ihnen geschuldet war.«
Wieviel Wahres war an den Untaten, die João Satanás zugeschrieben wurden? Um so viele Brandstiftungen, Plünderungen, Folterungen zu begehen, hätte es eines längeren Lebens und einer zahlreicheren Gefolgschaft bedurft als der dreißig Lebensjahre Joãos und der nie mehr als zwanzig Leute, die unter seinem Befehl standen. Zu seinem Ruf trug auch bei, daß im Unterschied zu anderen Banditen – wie Pajeú, der das Blutvergießen mit Anwandlungen von Freigebigkeit aufwog, der eine Beute unter die Ärmsten verteilte, einen Fazendeiro zwang, seine Vorratshäuser den Kleinbauern zu öffnen, oder einem Pfarrer die volle Summe eines Lösegeldes überließ, um eine Kapelle zu bauen oder das Fest des Dorfheiligen auszurichten –, solche Gesten, mit denen sie sich die Sympathie der Leute oder das Wohlwollen des Himmels zu gewinnen suchten, von Joäo nie bekannt wurden. Weder das eine noch das andere war ihm wichtig.
Er war ein starker Mann, überdurchschnittlich groß für einen Sertanejo, von glatter Haut und vorspringenden Backenknochen, schlitzäugig, breitstirnig, lakonisch, ein Fatalist, der Spießgesellen und Untergebene, aber keine Freunde hatte. Eine Frau allerdings hatte er, ein Mädchen aus Quixeramobim, das er kennenlernte, weil es die Wäsche wusch im Haus eines Fazendeiro, der der Bande als Helfershelfer diente. Sie hieß Leopoldina und hatte ein rundes Gesicht, ausdrucksvolle Augen und feste Formen. Sie lebte mit João zusammen, solange er sich in diesem Versteck aufhielt, dann zog sie mit ihm fort. Aber sie begleitete ihn nicht lange, weil João keine Frau in seiner Bande duldete. Er besorgte ihr eine Wohnung in Aracati, wo er sie von Zeit zu Zeit besuchte. Er heiratete sie nicht, und deshalb meinten die Leute, als sie mit einem Richter von Aracati nach Jeremoabo floh, die Beleidigung wiege nicht so schwer, wie wenn sie seine Frau gewesen wäre. Joäo nahmRache, als ob sie es gewesen wäre. Er ging nach Quixeramobim, schnitt den beiden älteren Brüdern von Leopoldina die Ohren ab und brandmarkte sie. Ihre Schwester Mariquinha, die erst dreizehn war, nahm er mit fort. Eines frühen Morgens erschien das Mädchen in den Straßen von Jeremoabo, im Gesicht die eingebrannten Initialen J und S. Sie war schwanger und hatte eine Tafel umgebunden. Darauf stand, alle Männer der Bande seien gemeinsam Vater des Kindes.
Andere Räuber träumten davon, genügend Geld zusammenzubringen, um sich in einer abgelegenen Gemeinde ein Stück Land zu kaufen und dort unter falschem Namen den Rest ihres Lebens zu verbringen. João legte weder Geld auf die Seite noch machte er Pläne für die Zukunft. Wenn die Bande einen Laden oder eine kleine Ortschaft plünderte oder für einen Entführten ein gutes Lösegeld erhielt, verteilte er alles, was er nicht für die Helfershelfer brauchte, die ihm Waffen, Munition und Arzneien besorgten, gleichmäßig zwischen sich und seinen Gefährten. Diese Freigebigkeit, seine Erfahrung in der Kunst, Hinterhalte anzulegen oder denen auszuweichen, die ihm gelegt wurden, sein Mut und seine Fähigkeit, Disziplin zu halten, bewirkten bei seinen Männern eine geradezu hündische Treue. Doch wenngleich er ihnen kein Risiko abverlangte, das nicht auch er auf sich genommen hätte, nahm er andererseits keinerlei Rücksicht auf sie. Wenn sie während der Wache einschliefen, auf einem Marsch zurückblieben oder einen Kameraden bestahlen, wurden sie ausgepeitscht. Dem, der zurückwich, wenn er Widerstand befohlen hatte, brannte er seine Initialen ein oder schnitt ihm die Ohren ab. Eigenhändig führte er die Strafen aus, kaltblütig. Er war es auch, der die Verräter kastrierte.
Seine Männer fürchteten ihn nicht nur, sie schienen ihn sogar zu lieben. Vielleicht, weil Joao nie einen Gefährten auf dem Kampfplatz zurückließ. Die Verwundeten wurden in einer Hängematte an einem Balken in irgendeinen Schlupfwinkel getragen, selbst wenn die Bande dadurch in Gefahr kam. Joäo selbst pflegte sie, und wenn nötig ließ er einen Krankenpfleger zu ihrer Behandlung gewaltsam herbeischaffen. Auch die Toten wurden mitgeschleppt, um sie an einem Ort zu begraben, wo sie weder von der Polizei noch von Raubvögeln geschändet werden konnten. Dies und die sichere Intuition, mit der er seineLeute im Kampf führte, in kleinen Gruppen, die hierhin und dorthin liefen und den Feind verwirrten, während andere ihn umgingen und die
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