Der Krieg am Ende der Welt
Stunde näherrückte, jeder der nahen Gegenwart des Bekannten und in anderen entscheidenden Stunden Erprobten bedürfe. Diejenigen, die getötet hatten, gingen nach vorn, und während sie sich nun dem Dorf näherten, das wegen der Johanniskäfer, die es nachts erhellten, Uauá hieß, scharten sich João Abade, Pajeú, Taramela, José Venancio, die Macambira und andere Aufrührer und Gerichtsflüchtige an der Spitze der Prozession oder des Heeres um das Kreuz und die Fahne, weil sie, ohne daß es ihnen jemand gesagt hätte, wußten, daß sie aufgrund ihrer Erfahrenheit und ihrer Sünden aufgerufen waren, zur Stunde des Angriffs ein Beispiel zu geben.
Nach Mitternacht kam ihnen ein Kleinbauer entgegen, um sie zu warnen: in Uauá kampierten die einhundertvier Soldaten, die tags zuvor aus Juazeiro gekommen waren. Da erscholl ein seltsamer Kriegsruf: »Es lebe der Ratgeber! Es lebe der gute Jesus!«, und angespornt von den Jubelrufen beschleunigten die Auserwählten den Schritt. Im Morgengrauen sichteten sieUauá, eine Handvoll Hütten, obligatorischer Rastplatz aller Wanderherden, die von Monte Santo nach Curaçá zogen. Sie stimmten Litaneien auf Johannes den Täufer, den Dorfheiligen, an. Plötzlich stand der Zug vor den schlaftrunkenen Soldaten, die an einem See vor dem Dorf Wache hielten. Ungläubig blickten sie die Pilger ein paar Sekunden lang an, dann rannten sie los. Betend, singend, auf den Pfeifen blasend, zogen die Auserwählten in Uauá ein und rissen das gute Hundert Söldner, die zwölf Tage lang unterwegs gewesen waren und die Gebete, die sie weckten, nicht verstanden, aus Schlaf und Traum in eine alptraumhafte Wirklichkeit. Sie waren die einzigen Menschen in Uauá. Alle Einwohner waren in der Nacht geflohen und sahen nun, unter die Kreuzzügler gemischt, die zwischen den Tamarindenbäumen auf dem Hauptplatz herumgingen, Soldaten in Türen und Fenstern erscheinen und ermaßen deren Verblüffung und Zweifel, ob sie schießen oder fortlaufen oder in ihre Hängematten oder Betten zurückkehren und weiterschlafen sollten.
Ein gebrüllter Befehl, der einen Hahnenschrei zerriß, löste die Schießerei aus. Die Soldaten, die Gewehre auf die Maueröffnungen gestützt, schossen, und blutüberströmt fielen die ersten Auserwählten. Die Kolonne löste sich auf. Hinter João Abade, José Venancio und Pajeú stürmten die Unerschrockensten in einer Gruppe vor, um die Häuser anzugreifen, andere rannten, Deckung suchend, in die toten Winkel oder scharten sich unter den Tamarindenbäumen zusammen, während die meisten den Zug fortsetzten. Auch die Auserwählten schossen. Das heißt diejenigen, die Karabiner und Stutzen hatten, und diejenigen, die ihre Vorderlader zu laden verstanden und in den Staubwolken ein Ziel ausmachen konnten. Während mehrerer Stunden des Kampfes und der Verwirrung stand hoch erhoben das Kreuz und wehte die Fahne in einer Insel von Kreuzfahrern, die fest geschlossen den Schüssen standhielten, treu um diese Wahrzeichen geschart, in denen später alle das Geheimnis des Sieges erblickten. Denn weder Pedrão noch João Grande noch die Mutter der Menschen, die die Urne mit dem Antlitz des Sohnes trug, fielen im Gefecht.
Der Sieg kam nicht schnell. Es gab viele Märtyrer in diesen vom Kriegslärm erfüllten Stunden. Auf das Rennen und die Schüssefolgten Pausen der Reglosigkeit und der Stille, die gleich darauf wieder durchbrochen wurden. Aber noch ehe der halbe Vormittag um war, wußten die Männer des Ratgebers, daß sie gesiegt hatten, sahen sie doch ein paar eilige, halbbekleidete Gestalten, die auf Befehl ihres Chefs oder weil Angst schneller als die Jagunços den Sieg über sie davongetragen hatte, Feldblusen, Gamaschen, Stiefel und Tornister zurücklassend, querfeldein davonlaufen. Sie schossen auf sie, obwohl sie wußten, daß sie nicht treffen würden, aber niemand dachte daran, ihnen nachzusetzen. Bald flohen auch die anderen Soldaten. Ein paar fielen auf der Flucht in die Schützennester, die die Jagunços an den Straßenecken gebildet hatten, und wurden kurzerhand niedergeschlagen und erstochen. Im Sterben hörten sie sich Hunde und Teufel nennen und vernahmen die Weissagung, ihre Seelen würden verdammt werden, ehe ihre Leiber verfaulten. Nach dem Sieg blieben sie noch ein paar Stunden in Uauá. Die meisten schlafend, einer an den anderen gelehnt, sich erholend von den Anstrengungen des Marschs und der Spannung im Kampf. Auf Initiative von João Abade durchsuchten einige die Häuser
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