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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Autonomistische Partei von Bahia mehr Geld für Propaganda ausgibt als Sie«, gähnt Gall.
    »Sie bekommt, was sie braucht. Nicht nur von Viana, sondern auch vom Innenministerium und vom Parlament von Bahia. Und vor allem vom Baron.«
    »Reich wie ein Krösus, dieser Baron, nicht wahr?« interessiert sich Gall plötzlich. »Bestimmt eine vorsintflutliche Persönlichkeit, eine archäologische Kuriosität. In Queimadas habe ich einiges über ihn erfahren. Durch Rufino, den Spurenleser, den Sie mir empfohlen haben. Seine Frau gehörte dem Baron. Gehörte, ja, wie eine Ziege oder ein Kalb. Er hat sie ihm geschenkt, damit er sie heiraten kann. Sogar Rufino spricht von ihm, als wäre er sein Eigentum gewesen. Ohne Groll, eher mit hündischer Dankbarkeit. Das Mittelalter ist hier noch lebendig.«
    »Dagegen kämpfen wir, deswegen wollen wir dieses Land modernisieren«, sagt Epaminondas Gonçalves und bläst dieAsche von seiner Zigarre. »Deshalb ist das Kaiserreich gefallen, deshalb haben wir jetzt die Republik.«
    Dagegen kämpfen eher die Jagunços, berichtigt ihn Galileo Gall im stillen, in dem Gefühl, daß er gleich einschlafen wird. Epaminondas Gonçalves steht auf.
    »Was haben Sie Rufino gesagt?« fragt er, die Terrasse auf und ab gehend. Die Grillen haben angefangen zu zirpen, die Hitze hat nachgelassen.
    »Die Wahrheit«, sagt Gall, und der Direktor des Jornal de Notícias bleibt abrupt stehen. »Ich meine nicht Sie, ich spreche von mir. Daß ich aus prinzipiellen Gründen nach Canudos gehen will. Aus ideologischer und moralischer Solidarität.«
    Epaminondas Conçalves sieht ihn schweigend an, und Galileo weiß, daß er sich fragt, ob er das im Ernst sagt, ob er wirklich so verrückt oder so blöd ist, das zu glauben. Ich bin’s, denkt er, während er um sich schlägt, um die Fliegen zu vertreiben.
    »Haben Sie ihm auch gesagt, daß Sie Waffen mitbringen?«
    »Natürlich nicht. Das wird er erfahren, wenn wir unterwegs sind.«
    Epaminondas, die Hände auf dem Rücken, nimmt seine Wanderung über die Terrasse wieder auf, eine Stele aus Rauch schwebt hinter ihm her. Er trägt ein offenes Hemd, eine Jacke ohne Knöpfe, Reithose und Reitstiefel, er wirkt unrasiert. Seine Erscheinung ist merklich verschieden von der in der Redaktion oder im Wirtshaus in Barra, aber auch hier erkennt Gall das Energische seiner Bewegungen wieder, das ehrgeizig Entschlossene in seinem Gesichtsausdruck, und er sagt sich, daß er seine Knochen kennt, ohne sie berührt zu haben: ein Machtgieriger. Gehört ihm dieses Landgut? Hat man es ihm für seine Verschwörungen ausgeliehen?
    »Reisen Sie nicht auf demselben Weg nach Salvador zurück, wenn Sie die Waffen abgeliefert haben«, sagt Epaminondas Gonçalves, auf die Balustrade gestützt und ihm den Rücken wendend. »Rufino soll Sie nach Juazeiro bringen. In Juazeiro geht alle zwei Tage ein Zug, der Sie in zwölf Stunden nach Bahia bringt. Ich werde dafür sorgen, daß Sie auf anständige Weise mit einer guten Gratifikation nach Europa ausreisen können.« »Eine gute Gratifikation«, wiederholt Gall mit einem langenGähnen, das sein Gesicht und seine Worte komisch verzerrt. »Sie denken noch immer, ich mache das des Geldes wegen.«
    Epaminondas Gonçalves stößt einen Mundvoll Rauch aus, der sich in Arabesken über die Terrasse verbreitet. In der Ferne geht die Sonne unter, auf dem Feld bilden sich Schattenflecken.
    »Nein, ich weiß schon, daß Sie es aus Prinzip machen. Jedenfalls ist mir klar, daß Sie es nicht aus Liebe zur Progressiven Republikanischen Partei tun. Aber für uns ist das ein Dienst, und wir pflegen Dienste zu vergüten, das habe ich Ihnen schon gesagt.«
    »Ich kann Ihnen nicht versprechen, daß ich nach Bahia zurückkehren werde«, unterbricht ihn, sich streckend, Gall.
    »Diese Klausel ist in unserem Vertrag nicht vorgesehen.«
    Der Direktor des Jornal de Notícias dreht sich um, sieht ihn an:
    »Darüber brauchen wir nicht noch einmal zu reden«, lächelt er.
    »Sie können tun, was Sie wollen. Auf jeden Fall wissen Sie jetzt, wie Sie am besten zurückkommen, und Sie wissen auch, daß ich Ihnen die Ausreise erleichtern kann, ohne daß die Behörden eingreifen. Wenn Sie lieber bei den Aufständischen bleiben, bleiben Sie. Obwohl ich sicher bin, daß Sie Ihre Ansichten ändern werden, wenn Sie sie kennenlernen.«
    »Einen von ihnen habe ich schon kennengelernt«, murmelt Gall leicht spöttisch. »Übrigens, würde es Ihnen etwas ausmachen, in Bahia diesen Brief für

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