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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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nach den von den Soldaten zurückgelassenen Gewehren, der Munition, den Bajonetten und Patronengürteln. Maria Quadrado, Alexandrinha Corrêa und Gertrudes, eine Verkäuferin aus Teresina, die einen Schuß in den Arm abbekommen hatte und gleichwohl tätig blieb, legten die Leichen der gefallenen Jagunços in Hängematten, um sie mit fortzunehmen und in Canudos zu begraben. Die Heilkünstler und Kräuterkundigen, die Hebammen und Knocheneinrenker und andere hilfreiche Geister bemühten sich um die Verwundeten, wischten ihnen das Blut ab, verbanden sie oder sprachen auch nur Gebete und Beschwörungsformeln gegen den Schmerz.
    Beladen mit ihren Toten und Verwundeten wanderten die Auserwählten, nun weniger eilig, am Vaza Barris zurück. Anderthalb Tage nach ihrem Auszug betraten sie unter Hochrufen auf den Ratgeber Canudos, bejubelt, umarmt, angestrahlt von denen, die zurückgeblieben waren, um am Tempel zu arbeiten. Der Ratgeber, der seit ihrem Auszug weder gegessen noch getrunken hatte, erteilte an diesem Abend den Rat auf einem Gerüst an den Türmen des Gotteshauses. Er betete für die Toten, dankte dem guten Jesus und dem Täufer für denSieg. Dann sprach er darüber, wie das Böse auf Erden Wurzeln geschlagen habe: Vor der Zeit war Gott in allem und es gab keinen Raum. Um die Welt zu erschaffen, habe der Vater sich in sich selbst zurückziehen müssen, damit eine Leere entstand, und dieses Fehlen Gottes habe den Raum verursacht, in welchem in sieben Tagen die Gestirne, das Licht, die Wasser, die Pflanzen, die Tiere und der Mensch hervorgekommen seien. Aber bei dieser Erschaffung der Erde durch Entzug göttlicher Substanz seien auch die günstigen Bedingungen dafür entstanden, daß die Sünde, das dem Vater am meisten Entgegengesetzte, eine Heimstatt erhielt. Und so sei die Erde als verdammte Erde entstanden, als Land des Teufels. Doch der Vater habe sich der Menschen erbarmt und seinen Sohn gesandt, um diesen Erdenraum, in welchem der Teufel auf dem Thron saß, zurückzuerobern für Gott.
    Eine der Straßen von Canudos, sagte der Ratgeber, solle nach Johannes dem Täufer benannt werden, dem Schutzheiligen von Uauá.
    »Gouverneur Viana will ein neues Expeditionskorps nach Canudos schicken«, sagt Epaminondas Gonçalves. »Unter dem Befehl eines Mannes, den ich kenne, des Majors Febrônio de Brito. Diesmal handelt es sich nicht um eine Handvoll Soldaten wie die, die in Uauá angegriffen worden sind, sondern um ein ganzes Bataillon. Jeden Moment wird es von Bahia aufbrechen, falls es nicht schon unterwegs ist. Es bleibt nicht viel Zeit.«
    »Ich kann morgen abreisen«, antwortet Galileo Gall. »Rufino erwartet mich. Haben Sie die Waffen mitgebracht?«
    Epaminondas bietet Gall eine Zigarre an, die dieser durch Kopfschütteln ablehnt. Sie sitzen in Korbstühlen auf der morschen Terrasse eines Landguts irgendwo zwischen Queimadas und Jacobina. Ein Mann in Lederzeug mit dem biblischen Namen Caifás hat Gall hierher geführt, kreuz und quer durch den Busch, als wollte er ihn über den Weg täuschen. Es ist Abend, vor der Holzbrüstung eine Reihe von Königspalmen, ein Taubenschlag, ein paar Schafpferche. Die Sonne, eine rote Kugel, taucht den Horizont in Feuer. Epaminondas Gonçalves zieht sparsam an seiner Zigarre.»Zweihundert gute französische Gewehre«, murmelt er, Gall durch den Rauch anblickend. »Und zehntausend Patronen. Caifás bringt sie auf dem Wagen bis vor Queimadas. Wenn Sie nicht zu müde sind, wäre es das beste, Sie gingen noch heute nacht mit den Waffen zurück und brächen morgen nach Canudos auf.«
    Galileo Gall nickt. Er ist müde, aber ein paar Stunden Schlaf werden ausreichen, ihn wieder frisch zu machen. Auf der Terrasse sind so viele Fliegen, daß er eine Hand vors Gesicht hält, um sie abzuwehren. Trotz der Müdigkeit fühlt er sich tief befriedigt. Das Warten hatte ihn aufgeregt, er hatte schon befürchtet, die republikanischen Politiker hätten ihre Pläne geändert. Als ihn der Ledermann am Morgen unerwartet mit dem vereinbarten Zeichen aus der Pension holte, verspürte er einen solchen Auftrieb, daß er sein Frühstück vergaß. Ohne zu trinken oder zu essen, war er unter der bleiernen Sonne auf das Landgut gereist.
    »Es tut mir leid, daß ich Sie so viele Tage habe warten lassen, aber es war kompliziert, die Waffen aufzutreiben und herzuschaffen«, sagt Epaminondas Gonçalves. »Haben Sie in den Dörfern unsere Kampagne für die Gemeindewahlen gesehen?«
    »Ich habe gesehen, daß die

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