Der Krieg am Ende der Welt
Karawane wurde berühmt wie der Zirkus, die Missionen und die Truppenlager. Das Geschäft auf der Praça da Misericordia in Juazeiro führten Honório und die Sardelinhas. Noch ehe zehn Jahre vergangen waren, hieß es, die Vilanova seien auf dem Wege, reich zu werden.
Da geschah das Unglück, das der Familie zum zweitenmal den Ruin brachte. In guten Jahren begannen die Regenfälle im Dezember; in schlechten im Februar oder März. In diesem Jahr war im Mai noch kein Tropfen Regen gefallen. Der São Francisco verlor zwei Drittel seines Wassers und reichte kaum aus, den Bedarf der Stadt zu decken, deren Einwohnerzahl sich durch Flüchtlinge aus dem Landesinnern vervierfacht hatte. Antônio Vilanova bekam in diesem Jahr keine Schuld zurückgezahlt, und alle seine Kunden, Gutsbesitzer wie arme Teufel, machten ihre Bestellungen rückgängig. Selbst Calumbí, diebeste Besitzung des Barons de Canabrava, ließ wissen, man werde ihm keine Handvoll Salz abkaufen. In der Absicht, aus dem Unglück Nutzen zu schlagen, hatte Antônio das Korn in Kisten, mit Segeltuch umwickelt, vergraben, um es zu verkaufen, wenn der Mangel die Preise in schwindelerregende Höhen treiben würde. Aber das Unglück war zu groß, auch für seine Kalkulationen. Bald sah er ein, daß er keine Käufer mehr finden würde, wenn er nicht sofort verkaufte, denn die Leute gaben das wenige, was sie noch hatten, für Prozessionen und Weihgaben aus, und alle wollten der Bruderschaft der Büßer beitreten, die in Kapuzen gingen und sich geißelten, damit Gott Regen schickte. Also grub er die Kisten aus: die Körner waren verfault, trotz des Segeltuchs. Doch Antônio gab nie auf. Er, Honório und die Sardelinhas, sogar die Kinder – eines von ihm, drei von seinem Bruder – verlasen die Körner, so gut es ging, und am nächsten Morgen verkündete der Ausrufer auf dem Hauptplatz, daß der Laden der Vilanova umständehalber ausverkauft werde. Antônio und Honório bewaffneten sich und postierten vier Angestellte mit Knüppeln gut sichtbar vor dem Laden, um Ausschreitungen zu verhindern. In den ersten Stunden ging alles gut. Die Sardelinhas bedienten an der Theke, am Eingang hielten die Männer zu sechst die Leute zurück und ließen nur Gruppen zu je zehn in den Laden. Doch bald wurde es unmöglich, die Menge zurückzuhalten, die die Absperrung durchbrach, Türen und Fenster ausriß und das Geschäft überflutete. Innerhalb weniger Minuten trugen sie fort, was da war, einschließlich des Geldes in der Kasse. Was sie nicht mitnehmen konnten, zertrümmerten sie.
Die Verwüstung dauerte nicht länger als eine halbe Stunde. Waren die Verluste auch groß, so war doch von der Familie niemand mißhandelt worden. Honório, Antônio, die Sardelinhas und die Kinder hockten auf der Straße und sahen zu, wie die Plünderer aus dem einst bestsortierten Ladengeschäft der Stadt abzogen. Die Frauen hatten verweinte Augen und die Kinder besahen sich die rings verstreuten Trümmer und Fetzen dessen, was einmal ihre Schlafstätten, ihre Kleider, ihre Spielsachen gewesen waren. Antônio war bleich. »Wir müssen von vorn anfangen, Compadre«, murmelte Honório. »Aber nicht in dieser Stadt«, antwortete sein Bruder.Antônio war noch keine dreißig Jahre alt. Aber durch die übermäßige Arbeit, die anstrengenden Reisen, die Besessenheit, mit der er sein Geschäft betrieb, wirkte er älter. Sein Haar hatte sich gelichtet, und die hohe Stirn, der Spitzbart und der Schnurrbart gaben ihm das Aussehen eines Intellektuellen. Er war stark, hatte hängende Schultern und ging ein wenig O-beinig, wie ein Viehtreiber. Nie zeigte er für irgend etwas Interesse, außer für sein Geschäft. Während Honório auf Feste ging, gern ein Gläschen Anisschnaps trank, den Wandererzählern zuhörte oder mit Freunden plauderte, die Schiffe auf dem São Francisco mit ihren bunt bemalten Galionsfiguren betrachtend, nahm Antônio nicht am gesellschaftlichen Leben teil. Wenn er nicht auf Reisen war, stand er hinter der Theke, kontrollierte Rechnungen oder dachte sich neue Tätigkeitsfelder aus. Er hatte viele Kunden, aber wenig Freunde, und obwohl er sich sonntags in der Kirche Nossa Senhora das Grotas sehen ließ und manchmal an den Prozessionen teilnahm, bei denen sich die Flagellanten der Bruderschaft für die armen Seelen im Fegefeuer bis aufs Blut geißelten, tat er sich auch durch Frömmigkeit nicht hervor. Er war ein ernster Mann, gelassen, beharrlich, gerüstet, es mit dem Mißgeschick
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