Der Krieg am Ende der Welt
Pondé sagte, niemand bestreite, daß besagter Gall tot neben den Gewehren in Ipupiará aufgefunden worden sei, bestritten werde nur, daß er ein englischer Spion sei, denn die Tatsache, daß er ein Ausländer sei, bedeute an und für sich gar nichts. Könnte er nicht ebensogut ein dänischer, schwedischer, französischer, deutscher oder kotschinchinesischer Spion gewesen sein?
S. Exz. der Herr Abgeordnete Dom Epaminondas Gonçalves sagte, die Äußerungen Sr. Exz. des Herrn Abgeordneten jener Mehrheit, die so bemüht sei, die öffentliche Aufmerksamkeit auf zweitrangige Fragen abzulenken und Entschuldigungen und mildernde Umstände für die Schuldigen zu suchen, statt vor Zorn zu beben angesichts der offenkundigen Tatsache, daß eine ausländische Macht sich in die inneren Angelegenheiten Brasiliens einmische, um die Republik zu unterminieren und die alte aristokratische und feudale Ordnung wiederherzustellen, sei der beste Beweis dafür, daß die Regierung des Landes Bahia keinen Finger rühren werde, um die Rebellion in Canudos zu beenden, über die sie im Gegenteil hocherfreut sei. Daß jedoch die machiavellistischen Machenschaften des Barons de Canabrava und der Autonomisten keine Chance hätten, dafür werde das brasilianische Heer sorgen, das den Aufstand von Canudos ebenso niederwerfen werde, wie es monarchistische Rebellionen gegen die Republik im Süden des Landes niedergeworfen habe. Wenn die Souveränität des Vaterlandes auf dem Spiel stehe, sagte er, erübrigten sich Worte; die Progressive Republikanische Partei werde morgen eine Geldsammlung veranstalten, um Waffen zu kaufen und diese dem Bundesheer zu übergeben. Und I. Exzn. die Herren Abgeordneten der Progressiven Republikanischen Partei fordere er auf, den Sitzungssaal denen zu überlassen, die nach der alten Ordnung schmachteten: sie selber sollten aufbrechen zu einer Wallfahrt nach Campo Grande, um dort vor der Gedenktafel für Marschall Floriano Peixoto den Eid auf die Republik zu erneuern. Was sie auch zur großen Verblüffung I. Exzn. der Herren Abgeordneten der Mehrheit auf der Stelle taten.
Minuten später schloß S. Exz. der Herr Parlamentspräsident Cavalheiro Adalberto de Gumucio die Sitzung.Wir werden morgen über die patriotische Zeremonie berichten, die I. Exzn. die Herren Abgeordneten der Progressiven Republikanischen Partei in den frühen Morgenstunden vor der Gedenktafel für den Eisernen Marschall in Campo Grande abgehalten haben.«
III
»Da ist kein Komma zuviel oder zuwenig«, sagt Epaminondas Gonçalves. Mehr als Befriedigung: Erleichterung drückt sich in seinem Gesicht aus, als hätte er von diesem Text, den ihm der Journalist, ohne Unterbrechung durch Niesanfälle, an einem Stück vorgelesen hat, das Schlimmste erwartet. »Ich gratuliere.«
»Wahr oder falsch, diese Geschichte ist phantastisch«, brummt der Journalist, der ihn nicht zu hören scheint. »Daß sich ein Scharlatan, der in Salvador durch die Straßen lief und behauptete, die Knochen seien die Schrift der Seele, und der in den Kneipen Anarchie und Atheismus predigte, als englischer Agent herausstellt, der mit den Sebastianiten komplottiert, um die Monarchie wiedereinzuführen, und der dann bei lebendigem Leib verbrannt im Sertão auftaucht: ist das nicht phantastisch?«
»Ja«, nickt der Chef der Progressiven Republikanischen Partei.
»Und noch phantastischer, daß Leute, die dem Anschein nach nur eine Gruppe von Fanatikern sind, ein ganzes, mit Kanonen und Maschinengewehren ausgerüstetes Bataillon dezimieren und in die Flucht schlagen. Phantastisch, ja. Aber vor allem erschreckend für die Zukunft dieses Landes.«
Die Hitze hat zugenommen, das Gesicht des kurzsichtigen Journalisten ist mit Schweiß bedeckt. Er wischt sich ab mit dem Bettuch, das er statt eines Taschentuchs benützt, dann reibt er seine beschlagenen Brillengläser an der verknitterten Hemdbrust trocken.
»Ich bringe das selber dem Setzer und bleibe, bis er die Seite umbrochen hat«, sagt er, die über dem Schreibtisch verstreuten Blätter einsammelnd. »Es wird keine Druckfehler geben, seien Sie unbesorgt. Sie können beruhigt schlafen, Senhor.«
»Sind Sie zufrieden, daß Sie mit mir arbeiten, statt in der Zeitung des Barons«, fragt ihn sein Chef unvermittelt. »Daß Sie hier mehr verdienen als im Diário de Bahia, weiß ich. Ich spreche von der Arbeit. Gefällt sie Ihnen besser?«
»Ehrlich gesagt, ja.« Der Journalist setzt die Brille auf und sitzt einen Augenblick starr, mit
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