Der Krieg am Ende der Welt
zugekniffenen Augen und bebenderNase, den Mund halb offen in Erwartung des Niesens. »Die politische Chronik ist unterhaltsamer, als über Schäden beim Fischen mit Sprengstoff im Itapagipe oder über den Brand in der Schokoladenfabrik Magalhães zu schreiben.«
»Und außerdem tun Sie was fürs Vaterland, für die gute Sache Brasiliens«, sagt Epaminondas Gonçalves. »Denn Sie sind einer der Unsern, stimmt’s?«
»Ich weiß nicht, was ich bin, Senhor«, antwortet der Journalist mit dieser Stimme, die genauso disparat ist wie sein Äußeres: manchmal hoch, manchmal tief und hallend. »Ich habe keine politischen Ideen und Politik interessiert mich nicht.«
»Ihre Offenheit gefällt mir«, lacht der Zeitungsherr, steht auf, greift nach einer Aktentasche. »Ich bin mit Ihnen zufrieden. Ihre Chroniken sind tadellos, Sie sagen genau das, was gesagt werden muß, und so, wie es gesagt werden muß. Ich bin froh, Ihnen die heikelste Sektion anvertraut zu haben.«
Er hebt die Lampe, bläst die Flamme aus und verläßt das Büro, gefolgt von dem Journalisten, der an der Schwelle zum Redaktionssaal über einen Spucknapf stolpert.
»Dann möchte ich Sie um etwas bitten, Senhor«, sagt er plötzlich. »Wenn Oberst Moreira César den Aufstand von Canudos niederkämpft, möchte ich als Berichterstatter des Jornal de Notícias dabei sein.«
Epaminondas Gonçalves hat sich umgedreht und betrachtet ihn prüfend, während er sich den Hut aufsetzt.
»Ich denke, das läßt sich machen«, sagt er. »Sehen Sie, Sie sind doch einer der Unsern, auch wenn Sie sich nicht für Politik interessieren. Um Oberst Moreira César zu bewundern, muß man ein echter Republikaner sein.«
»Ich weiß nicht, ob es Bewunderung ist«, präzisiert der Journalist, während er sich mit den Blättern Luft zufächelt.
»Einen leibhaftigen Helden zu sehen, einem so berühmten Mann nahe zu sein, ist sehr verlockend. Als würde man eine Romanfigur sehen und berühren.«
»Seien Sie vorsichtig, der Oberst ist auf Journalisten nicht gut zu sprechen«, sagt Epaminondas Gonçalves, schon in der Tür.
»In der Öffentlichkeit wurde er als erstes dadurch bekannt, daß er in Rio einen Federfuchser, der das Heer beleidigt hatte, auf offener Straße niederschoß.«»Gute Nacht«, murmelt der Journalist. Er trottet ans andere Ende des Saals, aus dem ein düsterer Gang in die Druckerei führt. Die Setzer, die dageblieben sind und auf seinen Bericht gewartet haben, werden ihm bestimmt eine Tasse Kaffee anbieten.
Drei
I
Pfeifend fährt der Zug in den Bahnhof von Queimadas ein, der geschmückt ist mit Spruchbändern, auf denen Oberst Moreira César willkommen geheißen wird. Auf dem schmalen, rot gepflasterten Bahnsteig drängt sich eine Menschenmenge unter einem großen flatternden Tuch, das quer über den Gleisen hängt: »Queimadas grüßt den heldenhaften Oberst Moreira César und sein ruhmreiches Regiment. Es lebe Brasilien!« Eine Gruppe barfüßiger Kinder schwenkt Fähnchen, und ein paar Herren in Festtagskleidern, das Abzeichen des Gemeinderats auf der Brust und den Hut in der Hand, stehen in einer Masse zerlumpter, elender, neugierig Ausschau haltender Menschen. Bettler und Verkäufer gehen zwischen ihnen herum.
Das Erscheinen Oberst Moreira Césars auf dem Trittbrett des Zuges – die Fenster sind voll von Soldaten und Gewehren – wird mit Rufen und Beifallklatschen begrüßt. In einer Uniform aus blauem Tuch mit roten Tressen und Paspeln, in Stiefeln mit vergoldeten Sporen und den Degen am Gürtel, springt der Oberst vom Trittbrett. Er ist klein, fast rachitisch, sehr agil. Alle Gesichter sind von der Hitze aufgedunsen: er schwitzt nicht. Seine schwächliche Physis steht in schroffem Gegensatz zu der Kraft, die er durch die Sicherheit seiner Bewegungen und die in seinen Augen brodelnde Energie in anderen zu erzeugen scheint. Er blickt wie einer, der Herr seiner selbst ist, weiß, was er will, und gewohnt ist zu befehlen.
Applaus und Hochrufe erklingen am Bahnsteig und auf der Straße, wo sich die Leute mit Pappdeckeln gegen die Sonne schützen. Die Kinder werfen Hände voll Papierschnitzel in die Luft, und wer Fähnchen hat, schwenkt sie. Die Amtspersonen treten vor, aber Oberst Moreira César bleibt nicht stehen, um ihnen die Hand zu geben. Eine Gruppe von Offizieren umringt ihn. Er grüßt mit einer höflichen Verbeugung und schreitet dann auf die Menge zu: »Es lebe die Republik! Es lebe Marschall Floriano Peixoto!« Zur Überraschung der
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