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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Gemeinderäte, die ohne Zweifel Reden halten, mit ihm sprechen, ihn begleiten wollen, geht der Oberst, von seinen Offizieren eskortiert, in den Bahnhof. Sie versuchen ihm zu folgen, dochWachen halten sie auf an der Tür, die vor ihren Nasen geschlossen wird. Man hört ein Wiehern. Aus dem Zug kommt, zum Entzücken der Kinder, ein schönes weißes Pferd. Es schüttelt sich, schwenkt seine Mähne, wiehert, wittert glücklich die Nähe des freien Feldes. Nun steigen durch Türen und Fenster Soldaten aus dem Zug, laden Packen, Koffer, Munitionskisten, Maschinengewehre aus. Raunen empfängt das Erscheinen zweier blitzender Kanonen. Die Soldaten führen Ochsengespanne heran, um das schwere Kriegsgerät zu befördern. Resigniert mischen sich die Gemeinderäte unter die Neugierigen, die durch Türen und Fenster ins Innere des Bahnhofs spähen und in dem Gewoge von Offizieren, Adjutanten und Ordonnanzen Moreira César auszumachen versuchen.
    Das Bahnhofsgebäude ist ein einziger großer Raum, unterteilt durch einen Verschlag, hinter dem der Telegraphist arbeitet. Der Vorderfront gegenüber steht ein zweistöckiges Haus mit dem Schild: Hotel Continental. Auf der baumlosen Avenida Itapicurú, die zum Hauptplatz führt, sind überall Soldaten. Hinter den Dutzenden von Gesichtern, die an die Fensterscheiben gedrückt das Innere des Bahnhofsgebäudes beobachten, nimmt das Aussteigen der Truppe und das Entladen des Zuges einen fieberhaften Fortgang. Als die Regimentsfahne erscheint und ein Soldat sie vor der Menge schwenkt, ertönt eine neue Salve Beifall. Auf dem Platz zwischen dem Hotel Continental und dem Bahnhof striegelt ein Soldat das langmähnige weiße Pferd. In einer Ecke des Bahnhofssaals steht, von niemandem beachtet, ein langer Tisch mit Krügen, Flaschen und Schüsseln voll Essen, die mit Tüllnetzen gegen Myriaden von Fliegen geschützt sind. Fähnchen und Girlanden hängen von der Decke herunter, dazwischen Plakate der Progressiven Republikanischen Partei und der Autonomistischen Partei von Bahia, mit Lobsprüchen auf Oberst Moreira César, die Republik und Brasiliens Siebtes Infanterieregiment.
    Mitten im wimmelnden Betrieb vertauscht Oberst Moreira César seine blaue Tuchuniform gegen den Feldanzug. Zwei Soldaten haben vor dem Verschlag des Telegraphisten eine Decke gespannt, und aus dieser improvisierten Kabine wirft der Oberst seine Kleider einem Adjutanten zu, der sie auffängt undin einen Koffer legt. Während des Umziehens spricht Moreira César mit drei Offizieren, die vor ihm strammstehen.
    »Cunha Matos, Rapport über die Truppenstärke.«
    Der Major schlägt leicht die Hacken zusammen:
    »Dreiundachtzig Mann von Pocken und anderen Krankheiten befallen«, sagt er, von einem Papier ablesend. »Eintausendzweihundertfünfunddreißig Mann einsatzfähig. Die fünfzehn Millionen Patronen und die siebenhundert Schuß Artillerie sind intakt, Exzellenz.«
    »In spätestens zwei Stunden soll die Vorhut nach Monte Santo aufbrechen.« Die Stimme des Oberst klingt gleichmäßig, ohne Nuancen, unpersönlich. »Sie, Olimpio, entschuldigen mich bei den Gemeinderäten. Ich werde sie später kurz empfangen. Erklären Sie ihnen, daß wir keine Zeit mit Feiern und Festessen verlieren dürfen.«
    »Ja, Exzellenz.«
    Als Hauptmann Olimpio de Castro abgeht, tritt der dritte Offizier vor. Er hat die Schulterstücke eines Oberst, ein älterer rundlicher, friedlich blickender Mann:
    »Leutnant Pires Ferreira und Major Febrônio de Brito sind hier. Sie haben Befehl, sich dem Regiment als Berater anzuschließen.«
    Einen Augenblick steht Moreira César nachdenklich da. »Welch ein Glück für das Regiment«, murmelt er kaum hörbar.
    »Bringen Sie sie her, Tamarindo.«
    Eine Ordonnanz hilft ihm auf Knien, ein Paar Reitstiefel ohne Sporen anzuziehen. Gleich darauf betreten, angeführt von Oberst Tamarindo, Febrônio de Brito und Pires Ferreira den Raum und postieren sich vor der Decke. Sie schlagen die Hacken zusammen, sagen ihre Namen und Dienstgrade und »Zu Befehl«. Die Decke fällt; Moreira César hat Pistole und Degen im Gürtel und die Ärmel der Feldbluse aufgekrempelt: seine Arme sind kurz, mager und unbehaart. Wortlos mustert er die Offiziere von Kopf bis Fuß mit eisigem Blick.
    »Exzellenz, es ist uns eine Ehre, unsere Erfahrung im Umgang mit dieser Region in den Dienst des ruhmreichsten Heerführers von Brasilien zu stellen.«
    Oberst Moreira César blickt Febrônio de Brito starr in die Augen, bis er ihn die Fassung

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