Der Krieg Der Diebe
Dirne gesehen, hatten gesehen, daß er wie gebannt ihre Hand nahm. Sie hatten sich verborgen gehalten, bis das Paar weiterging, dann waren sie ihm gefolgt - die Gruppe hatte geschworen, beisammenzubleiben, sie hatten vor, aufregende Abenteuer zu erleben. Sie waren nun nach dem Gesetz erwachsen, so durfte niemand sie von den verbotenen Genüssen und Vergnügen von Männern und Frauen abhalten. Sie waren neugierig gewesen, ob Mehta es wirklich mit der Hure treiben würde. Danach hätten sie sich selbstverständlich wieder zusammengeschlossen, und er hätte ihnen berichten müssen, wie es gewesen war. Sie hatten gesehen, wie er ihre Röcke gehoben und sie in einer Gasse an die Wand gedrückt hatte. Und dann war er plötzlich würgend auf den Boden gestürzt und gestorben. Sie hatten noch beobachtet, wie die Dirne sich über ihn beugte und wieder aufrichtete. Sie hatte den Kopf gehoben und in ihre Richtung geblickt. Die Zwillingshöhlen ihrer glühenden Augen hatten ihnen verraten, daß sie keine menschliche Dirne war - und sie waren davongelaufen, so schnell sie nur konnten.
Nun beruhigten sie sich allmählich wieder. Inzwischen waren sie tief im Schlachterviertel, nahe dem Ende, wo der Karawanenplatz begann. Dort brannte Licht, denn zweifelhafte Kaufleute tätigten dort ihre noch zweifelhafteren nächtlichen Geschäfte. Sie seien dort nicht sicher, sagte einer der Jungen. Dort würde auch Sklavenhandel getrieben, und wer weiß, ob man sie nicht gefangennehmen und in den Norden verkaufen würde, so daß man sie hier nie wiedersah.
»Und du meinst, daß es hier sicher ist?« fauchte Tamzen. Ihre Zähne klapperten, aber der Krrf machte sie mutig und wütend. Sie schritt voraus, ohne nachzusehen, ob die Gruppe ihr folgte. Aber sie würde es, daran zweifelte sie nicht. Sie kannte ihre Freunde besser als ihre eigenen Mütter sie kannten. Sie war sicher, es sei das einzig richtige, tapfer weiterzugehen, bis sie auf den Platz kamen und die Straßen nach Hause fanden, oder sie auf irgendwelche Höllenhunde, Stadtwachen oder Stiefsöhne stießen. Nikos Freunde würden sie bestimmt auf ihre Pferde heben und nach Hause bringen - falls sie welchen begegneten. Tamzen war sehr stolz auf ihre Bekanntschaft mit den Kriegern.
Niko . Wenn er hier wäre, hätte sie keine Angst, brauchte sie nicht Mut vorzutäuschen . Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie dachte daran, was er sagen würde, wenn er von diesem Abenteuer erfuhr. Sie würde ihn nie überzeugen können, daß sie erwachsen war, wenn alle ihre Versuche sie nur noch kindlicher erscheinen ließen. Die Dummheit eines Kindes , ganz gewiß - doch einem hatte diese Dummheit das Leben gekostet. Ihr Vater würde ihr den Hintern blau schlagen und sie gewiß einen Monat in ihre Kammer sperren. Sie wurde zornig - sicher war der Krrf daran schuld, obgleich sie bereits zu sehr von ihm beeinflußt war, um das noch erkennen zu können - und sah eine Gasse, aus der Fackelschein fiel. Sie bog ein. Die anderen folgten ihr, sie hörte ihre Schritte dicht hinter sich. Sie hatten reichlich Geld und konnten eine Begleitung bezahlen. Vielleicht bekamen sie sogar einen Einspänner, der sie nach Hause brachte. In allen Schenken gab es Männer, die froh waren, wenn sie eine Gelegenheitsarbeit bekamen. Wenn sie aber zum Karawanenplatz weitergingen und tatsächlich Sklavenhändlern in die Hände fielen, würde sie ihren Papa und Niko und ihr hübsches Gemach mit den Rüschchen und all ihren Spielsachen nie wiedersehen.
Die Schenke hieß Zum Schweinsohr - und sie hätte gar nicht heruntergekommener sein können. An der Tür holte einer der Jungen sie ein und riß sie am Arm zurück. »Wenn du da drinnen Geld herzeigst, werden sie uns allen den Hals aufschlitzen.«
Er hatte recht. Sie kauerten sich auf der Gasse zusammen und schnupften wieder Krrf, zitterten am ganzen Körper und konnten sich nicht einigen, was sie tun sollten. Phryne begann laut zu weinen, da drückte ihre Schwester ihr hastig die Hand auf den Mund. Gerade als die beiden Mädchen sich völlig verstört und hoffnungslos auf den Boden hockten, und einer der Jungen, dem die Furcht auf die Blase drückte, eine Hausecke suchte, kam eine Frau auf sie zu. Sie hatte die Kapuze zurückgeschlagen, trotzdem war ihr Gesicht nicht zu sehen. Aber ihre Stimme war die einer feinen Dame, und die Worte klangen mitfühlend.
»Habt ihr euch verirrt, Kinder? Na, jetzt ist ja alles gut. Kommt mit mir, wir werden Glühwein trinken, und ich habe auch noch
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