Der Krieg Der Diebe
Überlebenden gesucht werden konnte. Bei all dem Durcheinander von Heilern und neugierigen Zuschauern und Schiffseignern und Beysibern auf den Kais hatten sie alle Stiefsöhne vom Streifen- und Außendienst zurückrufen müssen, denn es mochte ja sein, daß die Beysiber ihren Verlust als persönliche Kränkung ansahen und sich dafür an den Freistättern rächen wollten.
Nun hielt an jeder Ecke ein berittenes Stiefsohnpaar Wache, die leeren Straßen dahinter waren dagegen unbewacht. Crit machte sich Sorgen, daß die Sache mit den Schiffen ein Ablenkungsmanöver war. Wenn ja, wäre es durchaus möglich, daß eine ganze Armee, die aus dem Norden kam, unbemerkt die Stadt erreichte. Wenn er nicht sicher wäre, daß gestern noch keine feindlichen Truppenbewegungen gen Süden stattgefunden hatten, würde er jetzt an eine solche Taktik glauben.
Um das Unglück vollständig zu machen, fanden sie als einzige offene Schenke nur die Bierstube. Dort saß der Wirt händeringend in einer Ecke mit fünf weiteren verzweifelten Vätern der hiesigen besseren Gesellschaft. Ihre Söhne und Töchter waren die ganze Nacht nicht heimgekehrt. Die Nachricht, die sie Tempus zur Stiefsohnkaserne geschickt hatten, war nicht beantwortet worden; und die paar Mann, die sich noch in der Garnison aufhielten, hatten Wichtigeres zu tun, als der Bitte um einen Suchtrupp nachzugeben. So warteten die Väter nun auf die Rückkehr der Männer, die sie schließlich selbst ausgeschickt hatten. Nur deshalb war die Bierstube überhaupt zu dieser Zeit noch offen.
Sie verließen sie jedoch wieder, so schnell die Höflichkeit es erlaubte - müde wie ihre Pferde und in die sich allmählich erhellende Dunkelheit blinzelnd.
Der einzige Ort, wo sie jetzt, da die Stadt erwachte, noch ein bißchen Ruhe und Frieden finden konnten, war die Sicherheitsstation in der Schlachterstraße, meinte Crit säuerlich. Sie ritten dorthin, schlossen die eisernen Läden, und hofften, wenigstens eine Stunde schlafen zu können - und fanden Nikos Nachricht.
»Warum hat der alte Wirt uns denn nicht gesagt, daß er sie gebeten hat, nach seiner Tochter zu suchen?« Seufzend rieb Strat sich die Augen.
»Hast du vergessen, daß alle glauben, Niko habe die Stiefsöhne verlassen und treibe sich jetzt in den Elendsvierteln herum?« Crit schlüpfte wieder in seinen Unterkittel, den er gerade erst ausgezogen und auf den Boden geworfen hatte.
»Wir werden doch nicht jetzt gleich wieder aufbrechen!«
»Ich schon.«
»Um nach Niko zu suchen? Wo?«
»Nach Niko und Janni. Und ich weiß nicht, wo. Aber wenn die beiden die Halbwüchsigen noch nicht gefunden und zurückgebracht haben, ist es gewiß kein einfacher Kinderstreich oder ein harmloses Schulabschlußabenteuer, das die Kinder sich ausgedacht haben. Aber wir können immer noch hoffen, daß sie ihr Treffen mit Roxane einhielten und sie es nicht für angebracht hielten, sie zu verlassen.« Crit stand auf.
Straton nicht.
»Kommst du mit?« fragte Crit.
»Jemand sollte hierbleiben, wo die Station im Grunde genommen immer besetzt sein sollte. Ihr solltet wirklich entweder hier oder in der Herberge zu finden sein und nicht jemanden suchen, der wahrscheinlich Euch sucht.«
Und Straton setzte sich schließlich durch. Sie machten sich auf den Weg zur Herberge und beschlossen, da inzwischen bereits die Sonne aufgegangen war, bei Marc anzuhalten, um Stratons bestellte Armbrustbolzen abzuholen.
Die Tür stand einen Spalt offen, obgleich die Öffnungszeit, wie sie auf die Tür gemalt war, noch nicht gekommen war. Im Innern hockte der Schmied über einer Tasse Tee. Vor sich hatte er einen ausgebauten Armbrustmechanismus auf einem Lederstück liegen, den er finster wie ein eigensinniges Kind anstarrte.
Er blickte bei ihrem Eintreten hoch und wünschte ihnen einen besseren Morgen, als er inzwischen gehabt hatte. Dann stand er auf, um Stratons Bolzen zu holen.
Hinter der Werkbank hing eine Reihe Armbrüste und Bogen.
Als Marc mit dem Holzkistchen zurückkam, deutete Straton auf eine Armbrust: »Das ist Nikos, nicht wahr? Oder täuschen mich meine Augen?«
»Ich behalte sie hier, bis sie bezahlt«, brummte der Schmied und blickte Straton fest an.
»Wir bezahlen dafür, dann kann er sie bei mir abholen«, sagte Crit.
»Ich weiß nicht, ob ihm das ...« Dann überlegte Marc es sich anders und nickte. »Gut, wenn Ihr wollt. Ich werde ihm sagen, daß Ihr seine Armbrust habt. Macht fünf Soldos ... Es hat mich allerhand Arbeit gekostet. Soll ich
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