Der Krieg der Ketzer - 2
es wäre ratsam, diese ›Bitte‹ Kanzler Trynairs auszuschlagen, hier unterstützend einzugreifen‹.«
Niemand sagte ein Wort, aber das war auch nicht notwendig, und Nahrmahns säuerliches Lächeln verriet tatsächlich eine gewisse, grimmige Belustigung.
»Unter diesen Umständen«, sagte er, »muss ich die wirklich entscheidende Frage Ihnen stellen, Gharth: Ist es möglich, diesen Zeitplan einzuhalten?«
»Das weiß ich nicht, Euer Hoheit«, erwiderte Mahndyr ehrlich. »Das kann ich erst wissen, wenn ich Gelegenheit hatte, meinen Stab wach zu rütteln und sie dazu zu bringen, unten bei den Werften die richtigen Fragen zu stellen. Aber so auf Anhieb erscheint es mir unwahrscheinlich, dass wir zum angewiesenen Zeitpunkt auch die Reserve mobilisieren können. Wir sollen unsere gesamte Flotte bis Anfang November kampfbereit haben, aber niemand hat uns vorgewarnt, dass etwas Derartiges erforderlich werden könnte. Alleine schon die Galeeren im aktiven Dienst vollständig zu bemannen, wird unsere Truppen immens in Anspruch nehmen. Wir werden unsere Presspatrouillen ausschicken müssen, um die Reserve zu bemannen – und jeder Händler, der in der Lage ist, Blitze zu sehen oder Donner zu hören, wird genau wissen, dass die Presspatrouille kommt, sobald wir uns daran begeben, die Reserve einsatzbereit zu machen. Also werden die sich rar machen. Und damit haben wir noch nicht einmal erwähnt, wie es um die Versorgung steht, die wir benötigen werden.«
Er schüttelte den Kopf.
»Euer Hoheit, ich werde mein Bestes tun, aber ich bin mir nicht einmal sicher, dass wir gemäß dem ursprünglichen Zeitplan die gesamte Reserve hätten mobilisieren, bemannen und ausrüsten können. Und mit der Zeit, die wir verloren haben, von dieser Notwendigkeit überhaupt zu erfahren …«
Wieder schüttelte er den Kopf.
»Ich muss sagen, dass es mich nicht überrascht, das zu hören«, gab Nahrmahn zurück. »Und um ganz ehrlich zu sein, bin ich darüber auch nicht sonderlich unglücklich.«
Mahndyr war die Überraschung deutlich anzumerken, und der Prinz lachte rau.
»Hektor weiß davon länger als wir«, sagte er. »Das ist Trynairs Depeschen deutlich zu entnehmen. Also wird er schon damit begonnen haben, seine Flotte auf den Kampf vorzubereiten. Na ja, wenn wir gezwungen sind, seinen Anweisungen Folge zu leisten, dann soll es mir nur recht sein, wenn seine Admiräle hier gezwungen sind, die Führung zu übernehmen. Er wird alles so planen, dass er dabei ständig im Vorteil ist. Also gut, dann soll er auch dafür zahlen! Es ist ja nicht unsere Schuld, dass man uns nicht rechtzeitig informiert hat. Natürlich werden wir unser Bestes tun …« – er lächelte dünn – »… aber niemand wird uns einen Vorwurf machen können, wenn wir nicht die gesamte Reserve mobilisieren, bemannen und ausrüsten können, wenn uns doch nur so bedauerlich wenig Zeit bleibt.«
November, im Jahr Gottes 891
.I.
Ankerplatz der Royal Charisian Navy, Lock Island
Die Frühlingsnacht war warm und feucht, und im Westen über der Howell Bay flackerten Blitze in der Ferne, als die Flotte die Anker lichtete.
Merlin stand neben Cayleb auf dem Achterdeck der HMS Dreadnought, hinter ihnen stand Ahrnahld Falkhan. Rau wurden Befehle durch die Dunkelheit gerufen, doch irgendwie klangen sie ein wenig gedämpft, als würden die Leute, die sie erteilten, ernstlich glauben, wenn sie alle sehr leise wären, würde niemand bemerken, was sie hier taten.
Der Gedanke ließ Merlin schmunzeln, trotz aller Anspannung, die er verspürte. Rings um ihn stachen zweiunddreißig Galeonen in See. Dreißig davon gehörten zur Royal Charisian Navy; die beiden anderen waren zwangsrekrutierte Handelsgaleonen, die ihnen als Versorgungsschiffe beigeordnet waren. Im Gegensatz zu jedem anderen an Bord konnte Merlin mit seinen künstlichen Augen alle genauestens erkennen, und ein Teil seiner Anspannung rührte von der durchaus gegebenen Möglichkeit, dass diese Schiffe miteinander kollidierten, als nun, einer nach dem anderen, die doch recht schwerfälligen Rahsegler die Anker lichteten und Segel setzten. Glücklicherweise war der Wind ihnen hold: Er wehte stetig, wenn auch nicht allzu kräftig, aus westlicher Richtung.
Doch diese natürliche Furcht, es könne zu einem Unfall kommen, war nur Teil seiner Anspannung, und gewiss nicht der größte Teil.
Unvermeidbarerweise hatte sich die Kunde verbreitet, die Navy von Corisande, Chisholm und Emerald würde mobilmachen; nervöse Skipper von
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