Der Krieg der Ketzer - 2
dicken Wolkendecke kaum zu sehen, die Schaumkronen auf den Wellen wurden immer weiter aufgepeitscht, und die ab und an niedergehenden Schauer waren in einen beständigen Wolkenbruch übergegangen. Durch Gischt und Regen hindurch waren die Segel des Schiffes, das der Destroyer unmittelbar folgte, gerade noch zu erahnen, doch das Schiff selbst konnte Cayleb nicht sehen – geschweige denn identifizieren, und von den restlichen Schiffen seiner Kolonne war keine Spur zu sehen.
Der Kronprinz wandte sich herum, als Merlin neben ihn trat. Lieutenant Falkhan hatte sich zwischen ihnen und dem Rest des Achterdecks aufgestellt; auf diese Weise gestand er den beiden ein Mindestmaß an Privatsphäre zu und fungierte zugleich als Erinnerungsstütze für alle anderen auf dem Achterdeck, es ihm gleichzutun.
»Sind immer noch alle da?«, fragte Cayleb. Er musste die Stimme heben, beinahe schon schreien, um den prasselnden Regen, den heulenden Wind, die knarrenden Balken und die rauschenden Wellen zu übertönen.
»Nicht ganz.« Auch Merlin hob die Stimme, während er in den immer dunkler werdenden Regen hinausschaute. Doch seine Augen schienen ins Leere zu blicken, denn tatsächlich betrachtete er nicht die Destroyer, sondern die Luftaufklärer-Bilder, die ihm Owl von seiner SNARC weiterleitete. »Die Kolonne ist nicht mehr so sauber wie zuvor. Die Dagger und die Dreadful fahren fast auf gleicher Höhe, und die meisten Schiffe haben ihre Position relativ zueinander geändert. Sie alle haben irgendwann die ursprünglich vorgegebene Linie verlassen, um ein angeschlagenes Feindschiff endgültig kampfunfähig zu machen oder jemanden aufzuhalten, der zu fliehen versuchte, und die Maid und die Sturzbach haben es überhaupt nicht mehr geschafft, sich der Kolonne anzuschließen – die steuern jetzt Samuel Island an. Aber verloren haben wir niemanden. Die anderen zwölf haben es tatsächlich irgendwie wieder geschafft, in Formation zurückzukehren, und es sind alle noch da.«
»Ich kann es kaum glauben«, gestand Cayleb nun. Dann richtete er den Blick auf das Deck der Dreadnought selbst. »Ich meine, ich wusste, dass diese neuen Kanonen uns einen immensen Vorteil verschaffen würden, aber dennoch …«
Er ließ den Satz verklingen. Merlin nickte, doch die Schatten, die sich auf seinem Gesicht abzeichneten, hatten noch mehr Ursachen als nur Regen, Gischt und die hereinbrechende Dunkelheit.
»Wir haben vielleicht kein einziges Schiff verloren, aber wir sind auch nicht völlig schadlos geblieben«, merkte er an, und nun war es an Cayleb, grimmig zu nicken.
Die Dreadnought selbst hatte sechzehn Treffer erlitten, neun davon aus Kanonen, die mindestens so groß waren wie ihre eigenen. Zweimal war ihr Rumpf auch unterhalb der Wasserlinie durchschlagen worden, doch der Schiffszimmermann und seine Gesellen hatten hölzerne Stopfen in die Löcher gehämmert, um das Eindringen des Wassers weitestgehend zu verhindern. Eine der Karronaden auf dem Vorschiff war aus ihrer Verankerung gerissen worden, und der gleiche Treffer hatte auch fast die gesamte dortige Geschützbedienungsmannschaft getötet. Eine weitere Kanonenkugel hatte ein gutes Stück aus dem Großmast herausgebissen. Glücklicherweise war es nur ein Streifschuss gewesen, und bevor Lieutenant Gyrard seine Verwundung davongetragen hatte, war es ihm gelungen, das Bersten des Mastes zu verhindern, indem er die beschädigte Stelle mit zahlreichen Spieren umgab und diese dann befestigte – fast, als würde er einen gebrochenen Arm schienen.
Auch der Backbord-Anker war verloren gegangen; eine Kugel hatte ihn säuberlich abgerissen, und es gab reichlich neuen Spleiß in der Takelage, ganz zu schweigen von den Löchern in den Segeln – fast keines war unbeschadet davongekommen.
Doch dessen ungeachtet, und trotz der siebzehn Toten und neunzehn Verletzten – die meisten davon durch umherfliegende Splitter verwundet –, waren Schiff und Mannschaft in geradezu unglaublich gutem Zustand.
Andere Galeonen, das wusste Merlin, hatten weniger Glück gehabt. Die HMS Taifun, die schon dem ursprünglichen Experimentalgeschwader angehört hatte, war als Teil der Kolonne unter dem Kommando von Admiral Staynair plötzlich zwischen zwei besonders effizient befehligte tarotisianische Galeeren geraten. Dank ihrer überlegenen Bewaffnung hatte sie zwar beide Schiffe in Wracks verwandeln können, doch ein Glückstreffer der gegnerischen Artillerie hatte den Großmast kaum ein Dutzend Fuß oberhalb des Decks
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