Der Krieg der Ketzer - 2
Schueleriten fällt, Pater Paityr«, gab Ahdymsyn zurück. »Und falls es so gewirkt haben mag, als würde ich etwaige Zweifel an dem Eifer hegen, mit dem Sie diese Verantwortung tragen, so war das doch nicht meine Absicht.« Nachdenklich legte er die Stirn in Falten. »Ich denke, es ist einfach nur die Tatsache, dass so viele … Innovationen in so kurzer Zeitspanne aufgetaucht sind, die mich in gewissem Maße beunruhigen.«
Und es will mir ganz so scheinen, als gelte Gleiches in ungleich stärkerem Maße mittlerweile auch für gewisse andere Personen – jetzt, da die Kunde davon den Tempel erreicht hat, dachte er.
»Strike zwei!«
Das Stöhnen der Menge wurde lauter, als der Ball klatschend im Handschuh des Fängers landete. Nicht, dass irgendjemand das Smolth zum Vorwurf hätte machen können. Der Pitcher der Drachen wusste genau, dass schon ein einziger Patzer einen gewaltigen Unterschied an der Anzeigetafel bewirken konnte, und so warf er Smolth den Ball nicht in der Art und Weise zu, wie er es normalerweise bei jemandem getan hätte, der das gleiche Schlaggeschick an den Tag gelegt hätte wie Smolth in der Hauptsaison. Dieser hinterlistige Wurf, bei dem er dem Ball einen deutlichen Effet versetzt hatte, hätte wohl jeden Schlagmann in Schwierigkeiten gebracht.
»Ich verstehe sehr wohl, warum Ihr Euch gewisse Sorgen macht, Eure Eminenz«, sagte Wylsynn nun und schüttelte mit einem schiefen Grinsen den Kopf, als er zuschauen musste, wie Smolth aus der Batter’s Box heraustrat, um sich kurz zu sammeln. Dann drehte sich der Schuelerit wieder herum und blickte Ahdymsyn geradewegs in die Augen.
»Tatsächlich«, sagte er dann deutlich ernsthafter, »hat selbst mich das ein wenig erschreckt, selbst hier in Charis! Auch wenn ich im Laufe der Jahre, die ich hier nun schon der Kirche diene, noch keinerlei Hinweise auf dämonische Einflüsse habe entdecken können, muss ich doch gestehen, dass die Leidenschaft, mit der die Charisianer sich bemühen, alles stets noch zu verbessern, gelegentlich doch geradezu beängstigend ist – und diese Königliche Hochschule, die sie seit einiger Zeit haben, macht alles nur noch schlimmer. Auch ich habe schon einige Male daran meine Zweifel gehabt, und dass so viele neue Ideen fast gleichzeitig auftauchen, hat mich regelrecht erschreckt.
Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass sämtliche dieser Innovationen, mit denen wir uns im Laufe der letzten Monate befasst haben, in Wirklichkeit nichts anderes sind als die Anwendung bereits existierender, längst gutgeheißener Techniken und Praktiken – nur eben die Anwendung auf bislang ungewohntem Gebiet. Aber jede dieser Techniken und Vorgehensweisen wurde zuvor ausführlich durch Mutter Kirche überprüft, bevor der Orden sie offiziell gebilligt hat. Und die Heilige Schrift untersagt nirgends, gebilligte Techniken zu anderen Zwecken als den bisherigen zu nutzen, solange diese Zwecke nicht im Widerspruch mit Gottes Plan stehen.«
»Ich verstehe.« Einige Sekunden lang blickte Ahdymsyn den jüngeren Mann nur schweigend an und wünschte sich sehnlichst, er könne ihm die Frage stellen, die ihm eigentlich auf der Zunge lag.
Bei den meisten anderen Intendanten hätte er das vielleicht sogar tun können, aber man hatte Wylsynn nicht ohne Grund nach Charis abgeschoben. Es gab tatsächlich sogar mehrere Gründe dafür, und einer davon war, dass er sich ganz offen gegen die Art und Weise aussprach, mit der ranghöhere Prälaten von Mutter Kirche zuließen, dass sich ein gewisser Pragmatismus auf ihren Entscheidungsfindungsprozess auswirkte. Seine ebenso offen zur Schau gestellte Ablehnung all dessen, was er als ›Dekadenz‹ im Lebensstil genau der gleichen Prälaten erachtete, und nicht zuletzt seine Herkunft hatten die möglichen Konsequenzen dieser Grundhaltung durchaus bedrohlich erscheinen lassen.
Im Laufe der Zeit hatte die Familie Wylsynn nicht weniger als sechs Großvikare gestellt. Noch der Vor-Vorgänger des derzeitigen Großvikars war ein Wylsynn gewesen, und einer aus ihren Reihen – Großvikar Evyrahard der Gerechte – hatte vor einhundert Jahren als inbrünstiger Reformer gegen den ›Amtsmissbrauch‹ des Tempels gekämpft. Das Amt eines Großvikars hatte er weniger als zwei Jahre ausgeübt, dann war er mysteriöserweise von seinem Balkon gestürzt und hatte dabei den Tod gefunden – doch in den oberen Reihen des Episkopats erinnerte man sich immer noch mit Schaudern an ihn. Als direkter Erbe von Sankt Evyrahard –
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