Der Krieg der Ketzer - 2
und das in mehr als nur einer Hinsicht – hätte der junge Paityr mit Leichtigkeit zu beträchtlichem Einfluss im Tempel aufsteigen können, wenn er sich nur dafür entschieden hätte, sich an die allgemeinen Spielregeln zu halten. Und das hätte für zu viele durchaus behagliche Beziehungen des Tempels eine untragbare Bedrohung dargestellt.
Glücklicherweise war Pater Paityr an Politik so desinteressiert, wie es nur denkbar war – und die gleichen familiären Beziehungen hatten verhindert, dass ihn die schlimmstmöglichen Konsequenzen des Unmuts seiner Vorgesetzten ereilt hatten. Andererseits konnte man, gerade angesichts seines familiären Hintergrunds, seinen derzeitigen Rang, den eines bescheidenen Oberpriesters, durchaus als Strafe für seine Tendenz werten, große Wellen zu schlagen. Und Gleiches galt natürlich auch dafür, dass er überhaupt nach Charis versetzt worden war.
Doch niemand konnte die Frömmigkeit oder den Verstand von Pater Paityr Wylsynn anzweifeln. Das war sogar Teil genau des Problems, mit dem sich Ahdymsyn jetzt herumplagen musste: Wylsynn war viel zu eifrig darauf bedacht, die Pflichten zu erfüllen, die ihm sein Orden auferlegte – eben die Orthodoxie der Kirche zu wahren –, als dass er Zeit auf Dinge wie die internen Fraktionen der Kirche hätte verschwenden können, oder auf die beständigen Streitigkeiten, in die sich diese Fraktionen immer wieder ergingen – und niemand in seinem ganzen Orden war besser darüber informiert, was alles zu den Pflichten seines Ordens gehörte. Das mochte gleichermaßen der Grund sein, ihn in Charis einzusetzen, wie ihn von Zion fernhalten zu wollen. Doch gemeinsam nahmen alle diese Faktoren Ahdymsyn jegliche Möglichkeit, mit ihm über die eventuellen Konsequenzen zu sprechen, die so viele charisianische Neuerungen für die politischen Überlegungen des Tempels haben mochten.
Oder die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Karriere eines gewissen Bischof-Vollstreckers namens Zherald.
»Würden Sie sagen«, fragte der Bischof stattdessen, »dass Doktor Mahklyns neue ›Ziffern‹ und dieser ›Abakus‹, den er vorgestellt hat, in diese Kategorie fallen?«
»Welche Kategorie, Eure Eminenz?« Wylsynn schaute ihn verwirrt an, und es gelang Ahdymsyn, ein Seufzen zu unterdrücken.
»Die Kategorie der Dinge, die auf gebilligten Verfahrensweisen und Techniken basieren, Pater«, erklärte er geduldig.
»Vergebt mir, Eure Eminenz«, erwiderte der Schuelerit, »aber diese Frage stellt sich einfach nicht. Auch wenn ich gerne zugeben will, dass ich weniger in Mathematik bewandert bin als viele andere, ist es doch nach meiner ausgiebigen Begutachtung der Arbeiten von Doktor Mahklyn offensichtlich, dass sie von immensem Nutzen sind und sein werden. Die Händler, die sich bereits mit diesen neuen ›Ziffern‹ vertraut gemacht haben, zeigen das nur allzu deutlich.
Selbstverständlich bedeutet die Tatsache, dass etwas im weltlichen Sinne von Nutzen sein mag, nicht zwangsweise, dass es auch vor Gott Gnade findet. Schließlich hat auf genau die gleiche Art und Weise Shan-wei ihre ursprünglichen Anhänger zum Bösen verführt und der ewigen Verdammnis anheimfallen lassen. Doch die Ächtungen besagen nichts darüber, wie man Zahlen zu zählen oder zu schreiben hat, weder in der einen, noch in der anderen Richtung. Ich versichere Euch: Nach unseren bisherigen Gesprächen habe ich mich lange Zeit mit meinen Konkordanzen befasst und nach jeglichen Hinweisen dazu in der Heiligen Schrift oder in den Erkenntnissen gesucht. Doch ich habe nichts gefunden.
Die Ächtungen befassen sich mit unreinem Wissen, der Art Wissen, das die Pforten zu eben der Verführung öffnet, die letztendlich in Shan-weis Netz führt. Der Erzengel Jwo-jeng hat sich diesbezüglich sehr deutlich ausgedrückt, und das Gleiche gilt auch für die Erkenntnisse, doch die Verführung findet sich darin, in von Gott abgewandter Weise das Wissen und die Macht zu entweihen, die Gott und Seinen Engeln vorbehalten sind. Innerhalb der Sphäre des Wissens, das für den sterblichen Menschen vorgesehen ist, stellt alleine der Versuch, bereits bekannte, vertraute Arbeiten effizienter zu bewältigen, wohl kaum eine Bedrohung für das Seelenheil dar. Zumindest, solange dabei keine der Grenzen übertreten werden, die uns die Ächtungen vorgeben.«
»Ich verstehe«, wiederholte Ahdymsyn, auch wenn er sich sehr wohl bewusst war, dass in dieser Hinsicht nicht alle Wylsynns Ansichten teilten – nicht einmal
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