Der Krieg der Ketzer - 2
erstarrt an Ort und Stelle stehen bleiben; wie eine Statue stand er dort und starrte den Mann an, dessen jetziges Hiersein schlichtweg unmöglich war.
»Ich bitte um Verzeihung, Euch erschreckt zu haben, Euer Majestät«, sagte Merlin Athrawes leise und mit ruhiger Stimme, »aber Cayleb hat mich mit einer Nachricht zu Euch geschickt.« Die Ahrmahk-Dynastie, zu diesem Schluss kam Merlin jetzt, musste an einer Art Gendefekt leiden. Das war die einzige Erklärung, die er sich vorstellen konnte, denn irgendetwas stimmte ganz offensichtlich nicht mit deren ›Kampf-oder-Flucht‹-Instinkten.
König Haarahld hätte zumindest nach den Wachen rufen müssen, wenn er schon nicht einfach in seine Kajüte zurückstürmte, oder vielleicht sogar über die Reling der Heckgallerie springen, nur um diesem Schreckgespenst zu entkommen. Tatsächlich hatte Merlin sogar eine Betäubungspistole mitgenommen, um einer derartigen, völlig verständlichen Reaktion entgegenzuwirken – auch wenn er sich nicht gerade darauf freute, genau das anschließend einem hochgradig verstimmten Monarchen erklären zu müssen.
Doch statt irgendetwas dieser Dinge zu tun, war Haarahld einfach nur fast zehn Sekunden lang reglos stehen geblieben – zumindest besagte das Merlins internes Chronometer –, dann richtete er sich auf und neigte den Kopf ein wenig zur Seite.
»Also, Seijin Merlin«, sagte er dann geradezu erschreckend ruhig, »wenn Cayleb Euch mit einer Nachricht zu mir geschickt hat, dann weiß ich zumindest, dass er noch lebt, nicht wahr?«
Und er lächelte.
Jetzt, zwanzig Minuten später, standen die beiden Seite an Seite, immer noch auf der Heckgallerie – dem einzigen Ort auf dem Flaggschiff, an dem sie wahre Privatsphäre erhoffen konnten. Das Rauschen von Wind und See, während die Royal Charis und ihr Geschwader sich zusammen mit der restlichen Flotte stetig weiterbewegte, übertönte auch ihre Stimmen.
»Also hat Cayleb Euch zu mir geschickt, um mir zu berichten, dass Black Water unsere kleine Scharade durchschaut hat, ja, Meister Traynyr?«, fragte Haarahld, und Merlin lachte leise, schüttelte den Kopf und erinnerte sich daran zurück, wie Haarahld ihn zum ersten Mal so genannt hatte.
»Jawohl, Euer Majestät.« Merlin neigte den Kopf ein wenig, dann stieß er ein leises Schnauben aus. »Und, wenn Ihr mir gestattet, das zu sagen, Euer Majestät, Ihr habt mein … Eintreffen deutlich ruhiger aufgenommen, als ich das erwartet hätte.«
»Im Laufe des letzten Jahres, Merlin, habe ich es gelernt, von Euch das Unerwartete zu erwarten. Und glaubt nicht, mir wäre entgangen, wie vorsichtig Ihr auf die Fragen geantwortet habt, die Euch Pater Paityr gestellt hat, als er diesen Wahrheitsstein mitgebracht hat. Gleiches gilt übrigens auch dafür, wie Cayleb Euch angesehen hat, als Ihr das getan habt. Und auch für verschiedene andere … ungewöhnliche Dinge, die Ihr im Laufe der Monate bewirkt habt. All diese interessanten Wissensfetzen, die Ihr immer wieder gezeigt habt. Die Tatsache, dass Ihr, trotz der durchaus schlagfertigen Erklärung, die Ihr seinerzeit abgegeben habt, eigentlich keinerlei Möglichkeit gehabt habt, auf natürlichem Wege so schnell zu Kahlvyns Stadtvilla gekommen zu sein, wie Ihr es nun einmal getan habt.«
Der König vollführte eine sonderbar sanfte Handbewegung, mit der er all diese Dinge einfach abtat.
»Ich bin schon vor langer Zeit zu dem Schluss gekommen«, sagte er sanft, »dass Ihr deutlich mehr seid, als Ihr zu sein vorgeben wollt, selbst mir gegenüber – und möglicherweise sogar Cayleb gegenüber. Und: ja«, lächelte er, »ich weiß, wie wichtig Ihr meinem Sohn geworden seid. Aber ich glaube, ich habe bereits einmal angemerkt, dass ein Mann – jeder Mann, über gleich welche … Fähigkeiten er auch verfügen mag – anhand seiner Taten gemessen werden sollte. Anhand dessen, was Ihr getan habt, habe ich ein Urteil über Euch gefällt, und ebenso wie mein Sohn auch vertraue ich Euch. Sollte dies ein Fehler meinerseits sein, so werde ich, daran zweifle ich nicht, in der nächsten Welt dafür büßen müssen. Bedauerlicherweise muss ich ja nun alle meine Entscheidungen in dieser Welt fällen, nicht wahr?«
»Euer Sohn ist Euch wahrlich sehr ähnlich, Euer Majestät.« Erneut senkte Merlin den Kopf, dieses Mal in einer Geste unverhohlenen Respekts. »Und ich kann mir nur schwerlich ein größeres Kompliment vorstellen, das ich ihm machen könnte.«
»Dann haben wir einander ja nun weidlich genug
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