Der Krieg der Ketzer - 2
hinübergeschwommen, an dem der Kraken, den er mit der Harpune verwundet hat, weiter die Kinder angriff, bis die tödliche Wunde, die ihm Athrawes mit der Harpune beigebracht hat, ihn schließlich doch untergehen ließ. Der Lieutenant mag dazu beigetragen haben, dieses sterbende Untier abzuwehren, aber ich vermute, dass er sich vor allem darum gekümmert haben wird, die Kinder aus dem Wasser zu holen und sie auf den Rumpf des gekenterten Bootes zu setzen, wo der verwundete Krake sie deutlich weniger leicht erreichen konnte.
Ohne in irgendeiner Weise den unbestreitbaren Mut des Lieutenants schmälern zu wollen, glaube ich doch, dass dies vermutlich alles war, was er dort hat tun können. Und man sollte ihm auch zugestehen, dass er niemals behauptet hat, mehr geleistet zu haben. In jedem Falle – und auch, wenn man den betroffenen Kindern eine grundlegende Wahrheitsliebe zuspricht – bezweifle ich doch ernstlich, dass selbst ein Seijin in der Lage sein soll, eine Harpune einhundertfünfzig Schritt weit zu schleudern, innerhalb eines Lidschlags die gleiche Strecke auch noch schwimmend zurückzulegen und dann drei oder vier Kraken mit bloßen Händen zu erwürgen! Tatsächlich bin ich sogar geneigt anzunehmen, dass hier ein echter ›Schneeballeffekt‹ zu beobachten ist. Schließlich ist Lieutenant Athrawes im Allgemeinen unter dramatischen Umständen aufgetaucht. Wenn man all das zusammennimmt, ist es nicht verwunderlich, dass ihm im Geschwätz der Uninformierten geradezu wundersame Fähigkeiten zugesprochen werden.«
»Aber Sie glauben, es sei wirklich nur das ›Geschwätz der Uninformierten‹?«
»Vermutlich nicht zur Gänze, aber doch im Allgemeinen, jawohl, Eure Eminenz.«
»Und welche Ziele verfolgt er hier?«, fragte Dynnys nun und kniff die Augen ein wenig zusammen.
»Ich glaube, er verfolgt das Ziel, dem Haus Ahrmahk seine Dienste als Krieger anzubieten – als außerordentlicher Krieger vielleicht, aber eben doch nur als Krieger. Ich glaube, dass er König Haarahld ernstlich … verehrt, und es ist völlig offenkundig, dass er dem jungen Cayleb zutiefst zugetan ist.«
»Haben Sie keinerlei Hinweise darauf, dass dies in irgendeiner Weise … tiefergehend sein könnte?«, setzte Dynnys nach.
»Keinerlei, Eure Eminenz«, erwiderte Wylsynn entschlossen. »Ich bin mir sehr wohl der Tatsache bewusst, dass es Berichte und Gerüchte gegeben hat – und manches davon mag auch den Tempel erreicht haben –, in denen ihm boshafte Ziele zugeschrieben werden. Angesichts des offensichtlichen Vertrauens, das sowohl Haarahld als auch Cayleb ihm entgegenbringen, ist es nicht verwunderlich, dass Neid und Bosheit zu derartigen Gerüchten führen, ob sie nun in gleichwelcher Form berechtigt sind oder nicht. Und um realistisch zu sein: ›Ehrgeiz‹ scheint Lieutenant Athrawes in jeder Hinsicht völlig fremd zu sein. Gewiss befindet er sich in einer ausgezeichneten Position, um in den Royal Guards sehr weit aufzusteigen, und ich bezweifle, dass er eine Beförderung oder auch persönlichen Reichtum ablehnen würde, sollte man ihm dergleichen anbieten.
Doch nach meinen eigenen Gesprächen mit diesem Mann, und auch mit König Haarahld und Kronprinz Cayleb, bin ich recht überzeugt davon, dass er keinerlei boshafte Absichten hegt. Tatsächlich ist es sogar meine wohldurchdachte Meinung, dass dieser Mann Gott immensen Respekt entgegenbringt und niemals auch nur daran denken würde, sich Gottes Willen in irgendeiner Weise zu widersetzen.«
Erstaunt kniff Dynnys die Augen zusammen. Er konnte nicht anders. Wylsynns Stimme verriet absolute Sicherheit, als hätte Gott Selbst dem Unterpriester eine Wahrheit ins Ohr geflüstert. Er mochte sich täuschen, doch es war völlig undenkbar, dass Dynnys durch seine Fragen das Vertrauen in die Ehrenhaftigkeit dieses Lieutenant Athrawes würde erschüttern können.
Und um der Wahrheit die Ehre zu geben …, dachte der Erzbischof und verkniff sich ein Grinsen. Wenn ein Wylsynn bereit ist, für diesen Mann zu bürgen, wer sind wir fehlbaren Sterblichen schon, dieses Vertrauen in Frage zu stellen?
»Ich verstehe«, wiederholte er nach kurzem Nachdenken. »Nun, Pater, ich muss sagen, Sie haben mich in mancherlei Hinsicht zutiefst beruhigt. Ich weiß das zu schätzen, ebenso wie ich die Hingabe und den Eifer, mit dem Sie diese Dinge angehen, zu schätzen weiß.«
»Ich bin hocherfreut, das zu hören, Eure Eminenz. Und ich hoffe, dass Ihr, sollte es noch irgendetwas anderes geben, womit ich
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