Der Krieg der Ketzer - 2
wie er auch schon Graf Coris erklärt hatte –, dass Haarahld die Absicht habe, in Bälde Emerald oder Corisande anzugreifen. Wenn schon nichts anderes, so musste ihn doch zumindest die Furcht vor der möglichen Reaktion der Kirche davon abhalten.
»Unter anderen Umständen – unter den meisten Umständen, nehme ich an«, fuhr Bahrmyn fort, »wäre ein jeder Streit, sogar ein offener Krieg, der derart weit entfernt von den Tempel-Landen ausgetragen würde, für die Ritter der Tempel-Lande vermutlich nicht von größerer Bedeutung. Doch angesichts von Haarahlds offensichtlicher Verstimmung darüber, dass Mutter Kirche zu seinen Ungunsten entschieden hat, und auch angesichts der Tatsache, dass er ganz offenkundig einen Eroberungsfeldzug gegen seine Nachbarn in Erwägung zieht, und ebenso angesichts der Tatsache, dass er, sollte es ihm gelingen, Euch und Nahrmahn zu besiegen, praktisch unumschränkte Macht über den weitaus größten Teil sämtlichen Handels auf dem Seewege erhielte, können die Ritter der Tempel-Lande seinen offensichtlichen Absichten nicht mit Gleichmut begegnen. Tatsächlich sind sie der Ansicht, Haarahlds Absichten stellten eine offene Bedrohung für eben die friedlichen Beziehungen zwischen allen Landen dar, die zu bewahren zu den Aufgaben von Mutter Kirche gehört.
Mutter Kirche selbst kann selbstverständlich in einem rein weltlichen Konflikt nicht Partei ergreifen – es sei denn, es ließe sich beweisen, dass eine der Parteien sich offen Gottes Gesetzen oder Gottes Eigenem Plan widersetzen. Niemand würde andeuten wollen, das sei derzeit gegeben. Doch in ihrer Funktion als Regenten würden die Ritter der Tempel-Lande ihre eigenen Pflichten und ihre Verantwortung ihren eigenen Ländern und ihren Untertanen gegenüber sträflich vernachlässigen, wenn sie zuließen, dass eine derartige Aggression unvermindert gedeiht.
Daher hat mir Kanzler Trynair die Aufgabe übertragen, Euch davon in Kenntnis zu setzen, dass die Ritter der Tempel-Lande zu dem Schluss gekommen sind, die Zeit sei gekommen, diese charisianische Aggression einzudämmen. Sie sind bereit, Euch und Prinz Nahrmahn gegen Haarahlds anmaßendes Machtstreben zu unterstützen.«
Bahrmyn hielt inne, und nun war es an Hektor, sich zu räuspern.
»Offensichtlich, Eure Eminenz«, sagte er, »muss ich dieses Zeichen der Unterstützung durch den Kanzler gutheißen. Und das tue ich auch, das versichere ich Euch. Doch so erfreulich das auch ist, fürchte ich doch, dass die Ritter der Tempel-Lande weit entfernt sind. Und selbst wenn dem nicht so wäre, verfügen sie doch nur über eine äußerst geringe Schlagkraft auf See.«
»Betrachtet man nur die Tempel-Lande, so ist das zweifellos richtig, Euer Hoheit«, pflichtete Bahrmyn ihm bei. »Doch Ihr seid nicht der einzige Prinz, dem gegenüber der Kanzler seiner Besorgnis über die Entwicklungen in Charis Ausdruck verliehen hat. Es erscheint ihm offenkundig, dass es letztendlich das Bestreben von Charis ist, den gesamten Überseehandel zu beherrschen, um daraus entsprechend Profit zu schlagen. Entsprechend sind auch die Interessen anderer Lande, auch über Corisande und Emerald hinaus, in gleicher Weise, wenngleich weniger umgehend, bedroht. Der Kanzler ist der Ansicht, es wäre nur gerecht, wenn diese anderen Lande ihren gerechten Anteil an der Bürde übernähmen, dieses Machtstreben einzudämmen oder niederzuschlagen.«
»Ich verstehe.«
Hektor konnte kaum glauben, was er dort gerade gehört hatte, und so zwang er sich, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und langsam weiterzumachen. Dieses völlig unerwartete Angebot ging weit über alles hinaus, was er in seinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hatte, und die Versuchung, sofort zuzustimmen, war fast überwältigend. Doch er hatte keine Ahnung, was Trynair dazu bewogen haben mochte, Bahrmyn zu ihm zu schicken, und er verstand auch noch nicht, wie die letztendlichen Ziele des Kanzlers selbst geartet waren. Andererseits …
»Darf ich fragen, an welche ›anderen Lande‹ der Kanzler gedacht hat, Eure Eminenz?«
»Selbstverständlich, Euer Hoheit. Man hat mich angewiesen, Euch zu sagen, dass der Kanzler bereits Kontakt mit König Rahnyld von Dohlar aufgenommen hat. Er hat auch König Gorjah von Tarot gegenüber angedeutet, er sei gegebenenfalls bereit, jegliche Eigeninitiative Eurer Botschafter gutzuheißen. Und so wie ich es verstanden habe, wurde Erzbischof Zherohm die Aufgabe übertragen, auch Königin Sharleyan eine Nachricht zu
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