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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Litauen, einen Nichtangriffspakt mit dem Deutschen Reich zu schließen. Die Reichsregierung lehnt das ab mit Hinweis auf die zu oft verletzte Memelkonvention. 1936 verbessern sich zunächst die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Ein Nichtangriffspakt kommt trotzdem wieder nicht zustande. Statt dessen übergibt die Reichsregierung der litauischen Regierung im März 1938 eine Note mit dem Verlangen, die Memelkonvention ohne Abstrich einzuhalten. Die Note besteht aus „11 Klagepunkten" von denen die Reichsregierung fordert, sie alsbald abzustellen. Die Klagepunkte sind: Der Kriegszustand seit 1926, die Beschränkungen der Vereins-, Versammlungs- und Pressefreiheit, Verhaftungen durch den litauischen Kriegskommandanten und die litauische Politische Polizei, die weitgehende Lahmlegung der gesetzgeberischen Tätigkeiten des Memeler Landtags durch das häufige Veto des litauischen Gouverneurs im Gegensatz zu den Bestimmungen der Konvention, unangemessen umfangreiche Enteignungen von Memeldeutschen im Memeler Stadtgebiet im September 1937, Druck auf die Betriebe, deutsche durch litauische Arbeitskräfte zu ersetzen und so weiter 227
    . Bemerkenswert bei der Note der
„11 Klagepunkte" ist, daß die Reichsregierung mit keiner Silbe das Verlangen
äußert, das Memelland an Deutschland abzutreten.

    Die außenpolitische Lage Litauens wird 1938 brenzlig. Polen zwingt Litauen unter Androhung eines Krieges, ihre Annexion der Stadt Wilna von 1920 völkerrechtlich anzuerkennen. Die zwei Verbündeten der Litauer, die Franzosen und Russen lassen Litauen in diesem Streit mit Polen ohne Unterstützung. Ein weite

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    Plieg, Seite 135 227
    PAAA, R 29675
    res Ereignis weist in die gleiche Richtung. Im September 1938 – während der Sudetenkrise – läßt Frankreich auch die Tschechoslowakei trotz eines Beistandspakts im Stich. So erkennt die litauische Regierung, daß sie im Falle einer deutsch-litauischen Auseinandersetzung gleichfalls ohne Hilfe ihrer Bündnispartner bliebe. Man zieht in Kaunas Konsequenzen.

    Die deutsche Reichsregierung stellt trotz des unverkennbaren Wunsches der Memelländer, „heim ins Reich" zu dürfen, zu der Zeit noch immer keine Forderungen territorialer Art. Hitler faßt eine militärische Lösung des Problems allerdings schon im Oktober 1938 als Möglichkeit ins Auge. Am 21. Oktober gibt er dem Wehrmachtsführungsstab die Weisung,
    „Die Wehrmacht muß jederzeit darauf vorbereitet sein, das Memelland in
    228 Besitz zu nehmen". Konkrete Pläne und Befehle folgen daraus jedoch zunächst noch nicht.

    Als Konsequenz ihrer außenpolitischen Lage beginnt die litauische Regierung nun, bei der deutschen zu sondieren. Der litauische Gesandte Saulys trägt am 31. Oktober in Berlin den Wunsch vor, die deutsch-litauischen Beziehungen neu zu gestalten, und er bittet um eine Erklärung der Reichsregierung zur Unverletzbarkeit des litauischen Staatsgebiets. Das kommt dem Wunsch gleich, daß Deutschland endgültig auf das Memelland verzichtet. Staatssekretär von Weizsäcker im Auswärtigen Amt hält sich bedeckt und verlangt vor weiteren Gesprächen erst einmal die völlige Einhaltung der Autonomie fürs Memelland. Am 1. November wird der erste der elf deutschen „Klagepunkte" aus der Welt geschafft. Der Kriegszustand im Memelland wird aufgehoben. Doch inzwischen ist der Verdruß der Memelländer über ihre litauische Herrschaft zu groß geworden, und der Anschluß Österreichs im März 1938 weckt bei ihnen alte Wünsche. Ab November 1938 kommt es im Memelland zu prodeutschen Aufmärschen und Fackelzügen und zu der offenen Forderung nach baldiger Rückgliederung ins Deutsche Reich. Die Reichsregierung hält sich trotzdem zunächst weiterhin zurück.

    Am 20. November läßt der litauische Außenminister Urbšys den deutschen Gesandten in Kaunas erstmals wissen, daß seine Regierung bereit sei, mit Deutschland über alle offenen Fragen zu verhandeln. Damit kommt Bewegung in die Memelfrage. Am 1. Dezember 1938 sucht der litauische Generalkonsul in Königsberg Dymša den Stab des „Stellvertreters des Führers" in Berlin auf und überbringt den Wunsch aus Kaunas, über Memel zu verhandeln. Er erklärt im Auftrag der Regierung, Litauen sei nun bereit, dem Memelgebiet die volle Autonomie zu geben und die litauische Außenpolitik der des Deutschen Reiches anzupassen 229
    . Sein deutscher Gesprächspartner, der Diplomat Kleist, erwidert, daß die Entwicklung im Memelgebiet nach seiner Meinung automatisch

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