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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Gleichstellung mit Frankreich erreichen. Das aber will im Vergleich der Flotten weder seine Schiffe in den Kolonien noch die im Atlantik mitberechnen lassen. So endet die Konferenz mit einer Einigung auf kleinstem gemeinsamen Nennen, der Begrenzung der Tonnage und Bewaffnung für bestimmte Schiffsklassen.

    Die Bindung der deutschen Marinegröße an die britische bedeutet, daß die 35% für Deutschland ein Maß auf Zuwachs sind, denn die Briten rüsten weiter auf. Dennoch hält sich die Marineleitung nicht an die zugestandenen Wachstumsgrenzen. In dem Bestreben, über Schiffe zu verfügen, die den französischen in Seegefechten ebenbürtig sind, überschreiten fast alle Pläne für die neuen Panzerschiffe und die Kreuzer die festgelegten Maximal-Tonnagezahlen. Als Raeder Ende 1935 eine Bilanz der Schlachtschiffneubauten durch die Marinekonstruktionsabteilung machen läßt, stellt er fest, daß er mit den Planungen weit überzogen hat, und daß bei einem Weiterbau die zugestandenen Tonnagen 1938 oder 39 überschritten und das Deutsch-Britische Flottenabkommen gebrochen werden würde. Dennoch legt der Admiral dem Rüsten keine Bremsen an. Erst der Mangel an Stahl, an Werften und an Geld sorgt dafür, daß die deutsche Kriegsmarine zu keiner Zeit die 35% der Royal Navy überschreitet 60 . Eine Ausnahme hiervon bilden ab Kriegsbeginn lediglich die auf Kiel gelegten U-Boote. So bleibt der Vertragsbruch Raeders eine böse Absicht, der die Kraft zur Tat fehlt.

    1936 – 1937
    In den Jahren 1936, 37 und 38 beginnt Hitler einzusehen, daß ihn seine Hoffnung in Bezug auf England trügt. Die Regierung in London hat das Flottenabkommen eingestrichen und – aus deutscher Sicht – nichts dafür gegeben. Hitlers Vorstellungen für die weite Zukunft ranken sich um eine Partnerschaft mit England, in der die Briten als Seemacht unangefochten Herrscher ihres Weltreichs bleiben, und in der Deutschland als Land- und Luftmacht in einem Wirtschaftsraum oder einer Staatengruppe in Südosteuropa seine Vorherrschaft ausübt. Hitler glaubt auch lange, daß die Rivalitäten und Probleme, die Großbritannien weltweit mit Frankreich, der Sowjetunion, den USA, Japan und Italien hat, dazu führen würden, daß Deutschland mit einer respektablen Flotte ein interessanter Bündnispartner werden würde. So verfolgt er mit dem 35%-Limit der deutschen Flotte eine Doppelstrategie. Die Selbstbeschränkung soll England einerseits beruhigen, und die dennoch beachtenswerte Größe der Marine soll das Deutsche Reich zum attraktiven Partner machen. Immerhin schicken sich die USA an, England als erste Seemacht zu verdrängen, und in der Sowjetunion ordnet Stalin 1935 an, bis 1947 eine Schlachtflotte aufzubauen, die den Flotten Amerikas und Englands

    Dreessen, Seite 297

    ebenbürtig ist. Da könnte ein deutscher Juniorpartner auf den Meeren in Zukunft für die Briten wichtig sein.

    Auch Hitlers Bemühen von 1936, Pakte mit den Rivalen Englands – nämlich Japan und Italien – zu schließen, sind Versuche, die Briten zu bewegen, sich doch noch um die Freundschaft Deutschlands zu bemühen.

    1938
    Im Frühjahr 1938 sieht Hitler, daß er hiermit offensichtlich scheitert. Im Mai eröffnet er Admiral Raeder, daß er damit rechnen muß, daß England bei zukünftigen Auseinandersetzungen auf der Gegnerseite steht, also wie im Ersten Weltkrieg auf der Seite Frankreichs. Ab diesem Zeitpunkt schwanken Hitlers Einschätzungen zur Reaktion der Briten. Er sagt einerseits des öfteren vor Generalen, daß England einen weiteren Aufstieg Deutschlands sicherlich nicht dulden werde. Und er beteuert andererseits vor jedem folgenden Ereignis – dem Anschluß Österreichs, der Annexion der Tschechei und dem Angriff gegen Polen –, daß er gewiß ist, daß England sich nicht rühren werde – womit er zweimal richtig liegt und einmal falsch.

    Für Raeder sind kriegerische Auseinandersetzungen zu der Zeit theoretisch nicht weit hergeholt. Die Revision der deutschen Ostgrenze gegenüber Polen, die Heimkehr Memels und das Los der Sudetendeutschen unter fremder Herrschaft sind noch immer offene Probleme, die zu einem Krieg mit Frankreich oder Polen führen könnten. Nach Hitlers neuer Rechnung stünden damit nicht nur die Alliierten Frankreichs, die Polen, die Sowjets und die Tschechen auf der Liste der potentiellen Gegner, sondern nun auch Großbritannien. Die Konsequenzen sind fatal.

    Im Herbst 1938 verschlechtert sich das deutsch-britische Verhältnis merklich, als Hitler

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