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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Schlüsselreden – sie ist vom 5. November 1937 – handelt es sich eigentlich um eine Besprechung. Kriegsminister von Blomberg bittet Hitler um eine Konferenz, um mit ihm und den Oberbefehlshabern der drei Wehrmachtsteile dringende Rüstungs- und Rohstoff-Fragen zu erörtern. Die Geschichtsschreibung nennt sie deshalb eine Rede, weil im wesentlichen nur erhalten ist, was Hitler in der Besprechung sagt. Die „Rede" wird heute nach dem

    Domarus, Band 1, Seite 756 Domarus, Band 1, Seiten 748 ff.
    Mann benannt, der ihre Niederschrift gefertigt hat, nach dem damaligen Oberst Friedrich Hoßbach, Hitlers Wehrmachtsadjutant. Die Niederschrift ist irreführend als das Hoßbach-"Protokoll" in die Geschichte eingegangen, doch sie hat keinen Protokollcharakter. Hoßbach, der nicht stenographieren kann, schreibt fünf Tage nach jener Besprechung Hitlers und der Generale aus dem Gedächtnis nieder, was er davon behalten hat. Als er Hitler das Papier zur Einsichtnahme und Kontrolle vorlegt, hat der keine Zeit, es durchzusehen und den Inhalt durch seine Paraphe zu bestätigen. Nachdem Kriegsminister von Blomberg und der Generalstabschef des Heeres Beck die handschriftliche Gedächtnisniederschrift gelesen haben, geht sie zu den Akten.

    Im Nürnberger Prozeß taucht das „Hoßbach-Protokoll" als Hauptbelastungsindiz gegen die Teilnehmer jener Besprechung vor acht Jahren wieder auf 30 . Doch das, was nun als Protokoll vorgelegt wird, ist nicht Hoßbachs Originalpapier. Es ist die Fotokopie einer maschinengeschriebenen Abschrift jener Hoßbach-Niederschrift. General Hoßbach wird im März und Juni 1946 als Kriegsgefangener – jedoch nicht als Zeuge im Prozeß – zu diesem „Hoßbach-Protokoll" vernommen. Er sagt aus, daß er nicht bestätigen kann, daß die vorliegende Kopie mit seiner Niederschrift von 1937 in allen Teilen übereinstimmt 31 . Doch „in summa" sei die Kopie die Wiedergabe seines Originals 32 .

    „In summa" heißt, nicht im Detail. Hoßbach hat seine Niederschrift nicht selbst mit der Maschine abschreiben lassen. Das tut 1943 oder 44 ein Offizier, der die Kopie „zu treuen Händen" an einen Verwandten übergibt, der sie dann an die Gegnermächte weiterleitet 33 . Der Weg der Hoßbach-Niederschrift von 1937 bis 1946 läßt ein paar Fragen offen. Es kann sein, daß das „Hoßbach-Protokoll" nach Inhalt, Schärfe und Nuancen wiedergibt, was Hitler der Generalität im November 1937 offenbart. Es kann auch sein, daß die Niederschrift auf ihrem Weg nach Nürnberg so überarbeitet worden ist, daß sie erst dadurch zum Beweisstück wird. Immerhin schreibt der Luftwaffenadjutant Hitlers von Below, daß die Kopie nach seiner Erinnerung länger ist, als das Original, das er gesehen hat 34 . Reichsmarschall Göring weist 1946 im Nürnberger Prozeß daraufhin, daß einige der Punkte und Formulierungen im vorliegenden „Beweisstück" so nicht der Stil des „Führers" waren 35 .

    Auch Großadmiral Raeder zieht die Echtheit von Abschrift und Kopie in Zweifel und beantragt im Prozeß, daß das Original der Abschrift vorgelegt wird, das im Besitz der Amerikaner ist 36 . Sein Anwalt will überprüfen, ob zwischen der

    IMT Dokumente, Band XXV, Seiten 402ff, Dokument 386-PS/US-25
IMT Dokumente, Band XLII, Seite 229
IMT Dokumente, Band XLII, Seite 229 und Hoßbach, Seite 192
Hoßbach, Seite 190
v. Below, Seite 49
IMT Verhandlungen, Band IX, Seite 344
    36 IMT Verhandlungen, Band XIV, Seite 43 und Raeder, Band 2, Seite 150
    Maschinenabschrift und der Fotokopie Montagen vorgenommen worden sind. Das Gericht lehnt diesen Antrag ab. Die Amerikaner weigern sich, das Original der Schreibmaschinenabschrift zu einer Prüfung vorzulegen. So ist nicht auszuschließen, daß die im Prozeß vorgelegte Kopie ein paar belastende „Eindeutigkeiten" und Zuspitzungen enthält, die nicht aus Hitlers Munde stammen. Der Verdacht und seine Widerlegung müssen offen bleiben.

    Ein weiteres Verdachtsmoment für die „Frisur" am Hoßbach-Protokoll kommt mit den Randbemerkungen auf, die das Original oder die Abschriften getragen haben sollen. Hoßbach weiß bei seiner Vernehmung nichts von den Vermerken, doch er kann sich irren. Die in Nürnberg als Beweisstück vorgelegte Fotokopie der Abschrift trägt solche Randvermerke des Reichskriegsministers von Blomberg, des Generalobersten Freiherr von Fritsch und nach Aussage des britischen Hauptanklägers Shawcross auch einen schriftlichen Randvermerk von Fritschs Nachfolger Generaloberst von Brauchitsch

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