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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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am 10. November noch einmal umzustimmen. Fritsch, von da ab auf Ägypten-Reise, wird in seiner Abwesenheit vom Generalstabschef des Heeres Beck vertreten. Auf Beck, der nicht selbst an der Besprechung teilgenommen hat, macht das „Protokoll" einen „niederschmetternden Eindruck" 40 . Die Kenntnis dieser Hoßbach-Niederschrift veranlaßt Beck, drei Denkschriften gegen Hitlers riskante Politik zu schreiben.

    IMT Verhandlungen, Band XVI, Seite 700 Hoßbach, Seite 191
    Die Reaktionen der Minister und Generale zeigen, daß Hitler ihnen an jenem Abend offensichtlich etwas Außergewöhnliches offenbart, seine Absicht, den bisherigen Kurs der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu ändern. Der Kurs zielt bis dahin allein auf die Gleichberechtigung Deutschlands, auf die Revision von Versailles und Saint-Germain und auf die Verteidigungsfähigkeit des Deutschen Reichs. Die Bedeutung der Hitler-Rede vom 5. November 1937 beruht darauf, daß hier zum ersten Mal erkennbar wird, daß der Diktator die „Chancen" zukünftiger europäischer Kriege zwischen anderen Staaten nutzen und bei günstiger Gelegenheit selbst Annexionen betreiben will. Einen „Kriegsplan", wie das MGFA es ausdrückt 41 , eröffnet Hitler den Generalen und Ministern dabei nicht.

    Doch nun zum Inhalt dieser Hitler-Rede, so wie sie uns die Nürnberger Richter hinterlassen haben. Hitler erklärt den an jenem Novemberabend versammelten sechs Herren zunächst, daß er sie über „seine grundlegenden Gedanken zu den Entwicklungsmöglichkeiten der außenpolitischen Lage" orientieren wolle. Gleich zu Beginn betont er, daß seine Außenpolitik auf weite Sicht angelegt sei, und daß er bitte, die nun folgenden Ausführungen als sein politisches Testament für den Fall anzusehen, daß er stirbt. Diese Einlassung ist insofern von Bedeutung, als sie Aufschluß über Hitlers territoriale Zielvorstellungen gibt, die er im November 1937 hegt. Sie läßt sogar die Vermutung zu, daß er zu diesem Zeitpunktjenseits seiner „Testamentseröffnung" keine weiteren Ziele hat.
    Als ersten Themenpunkt führt Hitler aus, daß er seine politische Aufgabe darin sieht, die Lebens- und Ernährungsgrundlage der 85 Millionen Deutschen einschließlich des erwarteten Bevölkerungszuwachses zu erhalten. Er leitet daraus „das Anrecht auf größeren Lebensraum" ab und reflektiert die Frage, ob die deutsche Raumnot durch wirtschaftliche Autarkie oder durch gesteigerte Beteiligung am Welthandel oder anders zu beheben sei. Zur Wirtschaftsautarkie meint Hitler, daß sie zumindest für Erzrohstoffe und Nahrungsmittel nicht erreichbar sei. Die Beteiligung an der Weltwirtschaft sei seiner Meinung nach deshalb unumgänglich. Dann wägt Hitler in seiner Rede die Möglichkeiten ab, die Deutschland dabei hat. Eine Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom Freihandel über die Weltmeere lehnt er ab, weil dieser Handel dem Belieben Englands unterliegt. Hier ist anzunehmen, daß Hitler dabei an die Hungerblockade der Briten gegen Deutschland von 1918 und 1919 denkt.

    Als nächstes kommt Hitler auf die Möglichkeiten eines Kolonialerwerbs in Übersee. Den schließt er mit der Begründung aus, daß alle Kolonien in Afrika und Asien verteilt und ohne Kriege gegen England oder Frankreich nicht mehr zu gewinnen sind. Deshalb seien landwirtschaftlich nutzbare Gebiete und Bodenschätze innerhalb Europas die von ihm angedachte Lösung. Hitler läßt bei diesen Worten zu dem „zu engen Lebensraum" noch nicht erkennen, woran er dabei denkt. Polen, die Ukraine oder Rußland erwähnt er hier mit keiner einzigen Silbe.

    MGFA, Mil.Gesch., Seite 188
    Hitler, das sei hier eingeflochten, kennt sehr wohl die Gefahr, die der von ihm erwogenen Lösung mit mehr Lebensraum innerhalb Europas innewohnt. Erst kurz vor dieser November-Konferenz hatte der britische Oppositionsabgeordnete Winston Churchill dem deutschen Botschafter in London von Ribbentrop bei einem Meinungsaustausch über Hitlers diesbezügliche Überlegungen klipp und klar gesagt, daß England etwaige Versuche Deutschlands, sich nach Osten auszudehnen, niemals dulden werde 42 . Unter dem offensichtlichen Eindruck dieser klaren Churchill-Worte beendet Hitler diesen Teil seiner Ausführungen mit dem Satz:
    „ Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur den Weg der Gewalt ge
    ben. Dieser werde niemals risikolos sein."
    Zur Frage der Gewaltanwendung wendet sich Hitler nun drei Möglichkeiten zu, die er drei „Fälle" nennt. Fall eins wäre ein Krieg

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