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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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37 . Von Fritsch, der zwar auf jener Konferenz zugegen ist, tritt am dem Tag, als Hoßbach sein Papier schreibt, eine lange Reise nach Ägypten an. Hoßbach selber zweifelt, daß von Fritsch sein „Protokoll" je gelesen hat. Bei von Brauchitsch ist der Sachverhalt dagegen ganz eindeutig. Nach aller Logik der Informationsstränge und Zuständigkeiten kann er das Papier von Hoßbach nicht gesehen haben. Von Brauchitsch sagt dann auch in Nürnberg aus, daß er von der ganzen Konferenz und einem Protokoll darüber erst im Prozeß erfahren habe, daß ihn sein Amtsvorgänger Fritsch bei der Übergabe seiner Amtsgeschäfte Anfang Februar 1938 auch nicht über jene Besprechung im November 1937 informiert habe, und daß selbst der Generalstabschef Beck die Besprechung nicht erwähnt habe 38 . Zumindest die Randbemerkung von Brauchitsch auf dem „Protokoll" – wenn nicht auch die von Fritsch – ist also eine Fälschung. Die offensichtliche Manipulation der Randvermerke, genauso wie die vorgenannten Merkwürdigkeiten, stellt die Glaubwürdigkeit des in Nürnberg vorgelegten Papiers sehr stark in Frage.

    Der Streit um jenes Hoßbach-Protokoll entzündet sich am Inhalt. Die Ankläger in Nürnberg sehen mit der Niederschrift bewiesen, daß Hitler den anwesenden Herren seine Kriegsabsicht eröffnet hat, und daß sie deshalb mitwissend und mitschuldig sind. So ist entscheidend, was Hitler im November 1937 wirklich sagt und nicht, was Hoßbach davon zu Papier bringt. Großadmiral Raeder sagt vor dem Nürnberger Militärtribunal aus, daß er und Reichskriegsminister von Blomberg aus jener Konferenz nicht den Eindruck mitgenommen hätten, daß Hitler seine bisherige Friedenspolitik habe durch eine neue Kriegspolitik ersetzen wollen. Der angeklagte Großadmiral verlangt deshalb die Vorladung des Generals Hoßbach, der zu der Zeit als Zeuge zur Verfügung stünde. Das Gericht lehnt ein Verhör Hoßbachs im Beisein von Raeder oder seines Verteidigers Dr. Siemers ab.

    Dreessen, Seite 184 IMT, Band XX, Seite 620
    Die Beweiskraft des sogenannten Hoßbach-Protokolls steht damit unter nicht weniger als vier Vorbehalten. Erstens ist nicht sicher, daß Oberst Hoßbach nach fünf Tagen genau das zu Papier bringt, was in der Konferenz gesprochen worden ist. Zweitens ist nicht bekannt, ob die erste Abschrift den Inhalt der handgeschriebenen Notizen völlig unverändert wiedergibt. Der Kopist ist unbekannt und eine Beglaubigung der Abschrift ist nicht überliefert. Genauso wenig ist verbürgt, daß die in Nürnberg vorgelegte Fotokopie mit dieser Abschrift übereinstimmt. Drittens verstärkt die Manipulation der Randvermerke den Verdacht, daß auch anderes verändert worden ist. Und viertens vermehrt es alle Zweifel, daß das Militärgericht in Nürnberg der Befragung Hoßbachs im Beisein Raeders ausgewichen ist.

    Die Forscher des Militärgeschichtlichen Forschungsamts (MGFA) teilen alle diese Zweifel nicht. Sie halten die Echtheit des Inhalts des Protokolls durch „quellenkritische Untersuchungen" und die überlieferte Reaktion des Generalstabschefs des Heeres Beck für erwiesen. Das MGFA beruft sich damit auf einen General, der nicht dabeigewesen ist, auf Generaloberst Beck.

    Bei allen Vorbehalten gegen die in Nürnberg vorgelegte Kopie der HoßbachNiederschrift belegen die Reaktionen der sechs anwesenden Herren, wie brisant Hitlers Ausführungen an diesem Novemberabend gewesen sein müssen. Die Minister und Generale haben hier sehr wohl begriffen, daß Hitler von nun an bereit gewesen sein muß, mit dem Feuer eines neuen Kriegs zu spielen. Außenminister von Neurath, Kriegsminister von Blomberg und der Oberbefehlshaber des Heeres von Fritsch versuchen, Hitler in der Besprechung mit Argumenten ihrer jeweiligen Fachkompetenzen zu widerlegen und zu bremsen. Sie nehmen ihre Verantwortung als politische Berater des Kanzlers Hitler durchaus wahr.

    Außenminister von Neurath fühlt sich von Hitlers Bereitschaft, die Bestimmungen von Versailles und Saint-Germain notfalls auch mit militärischer Gewalt zu revidieren, so belastet, daß er um seinen Abschied bittet. Er sagt zu der fraglichen Besprechung vor seinen Nürnberger Richtern aus:
    „ Wenn diese von Hitler in einer langen Rede vorgetragenen Pläne auch
    keinen konkreten Inhalt hatten und verschiedene Möglichkeiten zuließen,
    war doch für mich zu erkennen, daß die Gesamttendenz seiner Pläne ag
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    gressiver Natur war."
    Generaloberst von Fritsch versucht, Hitler bei einem Gespräch

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