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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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zwischen 1943 und 1945. Hitler fuhrt dazu aus, daß dem Deutschen Reich bei steigender Bevölkerungszahl und fehlenden Reserven ab 1943 bis 1945 bei schlechten Ernten Ernährungskrisen drohen, die aus Mangel an Devisen nicht allein durch einen Zukauf von Nahrungsmitteln im Ausland bewältigt werden könnten. Deutschland brauche einen Außenmarkt, doch das Ausland riegele sich immer weiter ab. Die Wehrmacht sei nun fast fertig aufgestellt und Deutschlands Stärke ließe sich jetzt kaum noch steigern. Das Militär des Auslands sei dagegen erst im Kommen. Irgendwann vor 1943 sei der Gipfel der relativen Stärke Deutschlands überschritten. Und da „die Welt unseren Schlag erwarte und von Jahr zu Jahr mehr Gegenmaßnahmen treffe", so sagt Hitler, „sei es besser, selbst zuerst zu handeln." So sei es sein unabänderlicher Entschluß, spätestens 1943 bis 1945 die Raumfrage zu lösen. Was Hitler damit territorial genau im Kopf hat, verrät er den Generalen auch an dieser Stelle zunächst nicht.

    Die Fälle zwei und drei behandeln Frankreichs Rolle in Europa und in Afrika. Sollte Frankreich durch einen Bürgerkrieg im Inland oder wegen seiner Streitigkeiten mit Italien oder Spanien einmal durch einen Krieg gebunden sein, so wolle er, Adolf Hitler, das zur „Erledigung der tschechischen und der österreichischen Fragen" nutzen. Diese Wendung der Hitler-Worte ist des Pudels Kern.

    Hitlers Ausführungen an diesem Abend, wie sie Oberst Hoßbach niederschreibt, befassen sich ausschließlich mit „Lebensraum" in der Tschechoslowakei und mit dem Anschluß Österreichs. Von Lebensraum in Osteuropa ist kein einziges Mal die Rede. Was Hitler ansonsten vor seinen sechs Zuhörern lang und breit erörtert, sind die möglichen Reaktionen Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, Polens und der Sowjetunion. Er läßt mit keinem Wort erkennen, daß er Angriffsabsichten gegen diese Staaten haben könnte. Auch die bolschewistische Bedrohung wird an diesem Abend nicht zum Thema, so daß Hitler einen Krieg mit Rußland nicht zur Sprache bringt.

    Churchill, Weltkrieg, Seite 98
    Da Hitler seine langen Ausführungen über die „Entwicklungsmöglichkeiten der außenpolitischen Lage" als sein Testament bezeichnet, ist das, was er hier vorträgt, allem Anschein nach umfassend. Er will den Anschluß Österreichs und er will die Tschechei. Von mehr ist in diesem „letzten Willen" im November 1937 nicht die Rede.

    Vom 5. November 1937 an wissen Außenminister von Neurath, die vier führenden Köpfe der Wehrmacht und Oberst Hoßbach, daß Hitler willens ist, gegebenenfalls von sich aus Krieg zu führen, um Österreich und die Tschechei dem Deutschen Reich einzuverleiben. Was die anwesenden Herren, Hoßbachs Niederschrift zufolge, bei dieser Wendung der Besprechung offensichtlich schreckt, ist Hitlers erkennbare Bereitschaft, Krieg zu führen. Was sie vermutlich nicht in dem Maß stört, ist Hitlers Wille, Grenzen zu verändern. Das ist zu der Zeit in Europa nichts Besonderes. In diesen Jahren hat England Forderungen an Irland, Spanien an Italien, Italien an Frankreich, Polen und Ungarn an die Tschechoslowakei, Litauen und Rußland an Polen und Norwegen an Dänemark. Grenzgebiete sind in den 30er Jahren in Europa kaum jemandem heilig.

    Was Österreich und den deutsch besiedelten Teil der Tschechoslowakei betrifft, wäre ein Anschluß an das Deutsche Reich nur ein Vollzug des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen. Die Volksvertreter in Österreich und in den Sudetengebieten haben 1918 in der Wiener Nationalversammlung selbst beschlossen, sich Deutschland anzuschließen.

    Was die Tschechoslowakei betrifft, so beendet Hitler seine Ausführungen mit der Beschreibung von zwei Möglichkeiten. Für den Fall – so sagt er -, daß ein von ihm erwarteter Krieg der Italiener, Spanier und Franzosen um ihre gegenseitigen Gebietsforderungen zu einer Mobilmachung der anderen Staaten in Europa führt, wolle er „diese sich nur einmal bietende günstige Gelegenheit für einen Feldzug gegen die Tschechei nutzen". Für den Fall aber, daß sich die anderen Staaten aus einem Krieg der Mittelmeerländer heraushalten, wollte er das auch. Ansonsten steht im Hoßbach-Protokoll, daß Hitler bei einer Annexion Österreichs und der Tschechei mit dem Zugewinn an Nahrungsmitteln für fünf bis sechs Millionen Menschen rechnet, wenn er dem die „zwangsweise Emigration" von zwei Millionen Menschen aus der Tschechei und einer Million aus Österreich zugrunde legt. Damit

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