Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
Vom Netzwerk:
Sowjetunion berichten. Damit bleibt offen, welche Niederschriften stimmen. Es kann sein, daß die einen Protokollanten Wichtiges verschweigen, um es zu verschleiern. Es kann auch sein, daß die anderen die Rede so ergänzen und frisieren, daß die Niederschriften eindeutigere „Beweise" der weitgesteckten Kriegsabsichten Hitlers und der deutschen Generale liefern. Wenn die „scharfen" Versionen der Redeniederschriften Falsches wiedergeben, wäre das fatal, denn sie und nur sie sind in die Geschichtsschreibung eingegangen. Sie prägen seit den Nürnberger Prozessen das Bild, das man sich in Deutschland und in der Welt von der frühen Mitwisserschaft der deutschen Generalität macht. So ist es für den Beweis der Komplizenschaft der Generale oder für ihre Entlastung von entscheidender Bedeutung, was Adolf Hitler an diesem 22. August 1939 denn nun wirklich sagt.

    Der Vergleich der Niederschriften ist wie ein Stück aus einem Kriminalroman. Die sieben Protokolle der Obersalzberg-Rede verschwinden 1939 in den diversen Akten und tauchen bei den Nürnberger Prozessen 1945 als „Beweise" wieder auf.

    Als erstes legt die Nürnberger Anklagebehörde ein angebliches Originaldokument vor 66 , das die Hitler-Ausführungen in besonders brutalen, vulgären und grotesken Formulierungen wiedergibt. Das „Dokument" wird dem US-Ankläger Alderman von einem amerikanischen Journalisten zugespielt 67 . Es wird in die

    IMT Dokument 03-L/US-28 IMT Verhandlungen, Band XIV, Seite 76
    Verhandlung eingeführt, dann aber gleich als Beweisstück abgelehnt. Zu offensichtlich ist die Fälschung. Diese vom Gericht nicht anerkannte Falsch-Version glänzt mit Zitaten und Schilderungen wie:
    „Entschluß zum Angriff auf Polen im Frühling. ... Ich lasse jeden füsilie
    ren, der auch nur ein Wort der Kritik äußert. ... Das Kriegsziel ist nicht das
    Erreichen von bestimmten Linien, sondern die physische Vernichtung des
    Gegners. ... Polen wird entvölkert und mit Deutschen besiedelt. ... Nach
    Stalins Tod zerbrechen wir die Sowjetunion. Dann dämmert die deutsche
    Erdherrschaft herauf." Nach der Falsch- Version setzt Hitler fort: „Ich ha
    be nur Sorge, daß mir Chamberlain oder irgend so ein anderer Saukerl im
    letzten Moment mit Vorschlägen und Umfallen kommt. Er fliegt die Treppe
    herunter. Und wenn ich ihm persönlich vor den Augen aller Photographen
    in den Bauch treten muß. ... Ob die Welt das glaubt, ist mir scheißegal. ...
    Die Bürger Westeuropas müssen vor Entsetzen erbeben. ... Und nun ran
    an den Feind! In Warschau feiern wir Wiedersehen! ... Die Rede wurde
    mit Begeisterung aufgenommen. Göring stieg auf den Tisch. Blutrünstiger
    68
    Dank und blutrünstiges Versprechen. Er tanzte wie ein Wilder herum."
    Soweit die erste Falsch-Version.

    Fatal für das besiegte Deutschland ist, daß die Anklagebehörde diese vulgäre und brutale „Wildwest-Version" der Hitler-Rede, nachdem sie sie als Fälschung für die Beweisaufnahme abgelehnt hat, in 250 Exemplaren kopieren und an die in Nürnberg vertretene Auslandspresse verteilen läßt. Ein Propagandacoup der Sieger gegen die Besiegten. Für die Medien in aller Welt ist das die „Offenbarung", wie Hitler mit den Generalen spricht, und daß er Welteroberungspläne hegt und die auch nicht verheimlicht hat 69 . US-Ankläger Alderman bezeichnet diesen Vorgang, von dem man kaum glauben kann, daß er nur ein Versehen ist, anschließend vor dem Gerichtshof lakonisch als „irgend ein technischer Fehler" 70 . So unwürdig dieser Fehler für das Internationale Tribunal ist, so dauerhaft ist seine Wirkung auf die Geschichtsschreibung in Deutschland und der Welt. In der offiziellen Dokumentation der englischen Außenpolitik, den „Documents on Britisch Foreign Policy" zum Beispiel ist diese und nur diese Falschversion verewigt. Noch heute werden Zitate aus jener Falsch-Version verwendet. Selbst die Herausgeber der abgedruckten und veröffentlichten Akten des Auswärtigen Amts sind sich nach dem Kriege nicht zu schade, die Falsch-Version neben einer zweiten, ebenfalls mit Zweifeln behafteten Variante in den „Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik" abzudrucken und als sogenanntes Dokument am Leben zu erhalten 72 .

    IMT Dokument 03-L/US-28
    z.B. Neuer Hannoverscher Kurier, Nachrichtenblatt der Alliierten Militärregierung, Nummer 47
vom 27. November 1945, Seiten 1 und 3
IMT Verhandlungen, Band II, Seite 327
    Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume VII, Annex to Document 314

Weitere Kostenlose Bücher