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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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politische Lage für Deutschland jetzt günstiger als
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    vielleicht in einigen Jahren."
    Nach Boehms Protokoll erklärt Hitler in dieser Rede seine Beweggründe für einen baldigen Krieg gegen Polen. Nach einleitenden Betrachtungen zur gegenwärtigen Lage des britischen Weltreichs, Frankreichs, Italiens und Spaniens kommt er auf Polen:
    „Klar ist zunächst, daß eine politische Lage mit Polen wie sie jetzt be
    stand, auf Dauer untragbar ist. Daher der Vorschlag des Führers hinsicht
    lich der Abtretung Danzigs und der Herstellung eines Verbindungsweges
    durch den Korridor. Dieser Verständigungsversuch wurde gestört durch
    England, das sich in eine Hysterie hineinsteigerte und Polen zu frechen
    Noten und militärischen Maßnahmen veranlaßte. ... Für England aber
    war und ist gerade ein dauerhafter labiler Zustand erwünscht, um jeder
    zeit, wenn es selbst losschlagen will, auf der anderen Seite Polen
    loslassen zu können. ... Abzulehnen wären faule Kompromisse. ... Die
    Wahrscheinlichkeit eines Eingreifens der Westmächte in einen Konflikt ist
    nach Ansicht des Führers nicht groß."
    Dann erläutert Hitler nach dem Boehm-Protokoll, warum er nicht mit einem Eingreifen der Westmächte rechnet, und warum sich die Sowjetunion so plötzlich in dieser deutsch-polnischen Auseinandersetzung von England und Frankreich abund Deutschland zugewendet habe. Boehms Protokoll setzt fort:
    „Natürlich werden die Westmächte bei einem Konflikt Deutschland – Po
    len versuchen, das Gesicht zu wahren. Sie werden vielleicht die Botschaf
    ter abberufen, vielleicht eine Handelssperre einrichten. Dagegen hilft nur
    eisernste Entschlossenheit. ...
    Im übrigen muß man bedenken. Auch auf der anderen Seite sind Menschen
    mit ihren Sorgen und Kümmernissen. Letzten Endes sind es nicht Maschi
    nen, die miteinander ringen, sondern Menschen. Und wir haben die bes
    seren Menschen. ...
    Das Ziel ist die Beseitigung und Zerschlagung der militärischen Kräfte
    Polens. ...

    Anmerkung des Verfassers IMT Protokoll Band XLI, Dokument Raeder-27
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    Uns hat die Vorsehung zu Führern dieses (deutschen ) Volkes gemacht;
    wir haben damit die Aufgabe, dem deutschen Volke, das mit 140
    Menschen auf den Quadratkilometer zusammengedrängt ist, den nötigen
    Lebensraum zu geben. ..."
    Von Plänen Hitlers, selber später Frankreich oder England anzugreifen, von der „restlosen Zertrümmerung Polens" oder gar von einer „deutschen Erdherrschaft" (in 1. Version) ist bei Boehm nicht ein einziges Wort zu lesen.

    Von besonderer Bedeutung ist der kolportierte Hitler-Ausspruch aus jener zweiten Version, von der nicht bekannt ist, wer sie geschrieben hat:
    „Ich habe nur Angst, daß mir noch im letzten Moment irgendein
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    Schweinehund einen Vermittlungsplan vorlegt."
    Dieses Zitat geistert bis heute durch die Schulgeschichts- und Gemeinschaftskundebücher 85 , belegt es doch, daß Hitler nun Krieg um jeden Preis mit Polen will und an einer Lösung der Korridor- und Danzig-Frage nicht mehr interessiert ist. In der ersten Falsch-Version heißt der „Schweinehund" noch „Saukerl". Weder bei Boehm, noch Halder oder Greiner (5. Version) ist dieser folgenschwere Satz zu finden. Bei Boehm heißt es statt dessen:
    „Abzulehnen wären faule Kompromisse." Die fragliche Schweinehund-Formulierung ist deshalb von Bedeutung, weil Hitler am Tag danach, am 23. August 1939, sowie am 25., am 26. und am 29. August die englische Regierung um Vermittlung bei den Polen bittet. Im folgenden Kapitel wird hiervon noch ausführlich zu berichten sein. Die SchweinehundFormulierung soll 1946 in Nürnberg den Beweis erbringen, daß Hitler seine Vermittlungsersuchen an die britische Regierung nur zum Schein gestellt hat. Das kann auch der Grund sein, warum sich die Nürnberger Richter wehren, Boehm als Zeugen vorzuladen.

    Archivdirektor Dr. Domarus entscheidet sich, die 2. Version, deren Verfasser und Herkunft unbekannt sind, in das Archiv der Hitler-Reden aufzunehmen und nicht die Boehm-Version. Er begründet es,
    „da sie prägnanter formuliert sind, als diejenigen von Boehm und Halder,
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    obwohl sie den gleichen Inhalt haben."
    Domarus hat sich offensichtlich gerade von den „prägnanten", aber zweifelhaften Formulierungen blenden lassen, und er bedient sich dabei ausgerechnet zweier Zeugen, die seine Logik widerlegen. Weder Boehm mit seinem eigenen Protokoll noch der Generalstabschef des Heeres, General Halder, mit seiner Tagebucheintragung (4. Version) bestätigen die

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