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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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siegen und treiben die Russen in Richtung Osten bis Minsk in Weißrußland vor sich her. Die Rote Armee der Russen wird dabei so gut wie aufgerieben.

    Karte 20: Die CURZON-Linie

    Die Sowjets müssen Frieden schließen. Am 18. März 1921 verzichtet Rußland im Frieden von Riga auf das „Ostpolen" seinerseits der Curzon-Linie. Es verliert damit 5 Millionen Ukrainer, 1,2 Millionen Weißrussen und etwa 1 Million Juden als Bürger seines Landes. Polen gewinnt mit „Ostpolen" auch die etwa 1,5 Millionen Polen, die dort leben. Mit dem nun dazu eroberten Gebiet liegt die neue Staatsgrenze Polens 250 Kilometer innerhalb des russischen Sprachraums.

    Karte 21: Sowjetischer Angriff bis vor die Tore Warschaus

    Der Frieden von Riga hat ein paar Folgen, die Gründe für den späteren Untergang des neuen Polen sind. Zum ersten behält die Sowjetunion einen legitimen Grund für eine spätere Revision zu Lasten Polens. Sie wird sich 1939 genau das nun verlorene Gebiet bis zur Curzon-Linie zurückerobern, das ihr 1919 der „Höchste Alliierte Rat" der Siegermächte zugesprochen hat. 1945 wird sie auch noch die 2 Millionen Polen, die dort inzwischen leben, aus dem Lande jagen. Dafür werden dann 15 Millionen Deutsche aus ihrer Heimat in Schlesien, West- und Ostpreußen, Danzig, Ostbrandenburg, dem Wartheland sowie Pommern weichen müssen. Zum zweiten kauft sich Polen große Minderheiten ein, die es in den Folgejahren nicht integrieren kann. Und drittens verleitet der Sieg des relativ kleinen Polen gegen die riesige Sowjetunion das polnische Volk zu einer verfänglichen Selbstüberschätzung. Das Volk der Polen und mit ihm die Armee glaubt von nun an, die großen Nachbarstaaten militärisch schlagen zu können. So sehen sie auch 1939 keinen Grund, zu verhandeln anstatt Krieg zu führen.

    Des weiteren hat der Krieg der Polen und der Sowjets Folgen für den zukünftigen Umgang der Völker in Europa. Die Nachkriegsordnungsmächte, vertreten durch den „Höchsten Alliierten Rat", nehmen ohne Konsequenzen hin, daß ein militärisch starker Staat eine von ihnen gezogene Grenze mißachtet. Sie akzeptieren den Angriff eines Staates ohne Kriegserklärung. Sie übergehen das Selbstbestimmungsrecht von ein paar Millionen Menschen in Osteuropa. Sie beugen sich der Macht der Fakten, die ein Land mit seinem Militär geschaffen hat. Das bleibt nicht ohne dauerhaften Eindruck auf die Menschen in den besiegten Ländern Sowjetunion und Deutschland, die später gleiches tun.

    Polnisch-litauische Auseinandersetzungen

    Das zweite Land, das Polen anfaßt, ist das seit 1918 unabhängige Litauen. Zunächst will Rußland die Unabhängigkeit des neuen Staats nicht anerkennen und besetzt die Hauptstadt Wilna mit dem Umland. Doch die Polen halten das umstrittene Gebiet für polnisch. Wilna hat einen großen Anteil polnischer Bevölkerung, das Umland ist rein litauisch besiedelt. Als die Sowjetunion im Krieg mit Polen andere Sorgen hat, erkennt sie im Juli 1920 die Unabhängigkeit des litauischen Staates an und zieht die Truppen ab. Polen besetzt daraufhin im Oktober 1920 die Hauptstadt Wilna mit dem Umland. Der Völkerbund in Genf erhebt vergeblich Einspruch und schlägt eine Volksabstimmung vor. Polen gesteht der Bevölkerung im eroberten Gebiet kein Recht auf nationale Selbstbestimmung zu und behält den Osten des noch jungen litauischen Staates, ohne eine Volksbefragung zuzulassen. 1938 läßt Polen Truppen an der Grenze aufmarschieren, droht mit Krieg und zwingt die Litauer, die polnische Eroberung von 1920 völkerrechtlich anzuerkennen.

    Auch dieser Krieg von 1920 und die Kriegsdrohung von 1938 haben mittelbaren Einfluß auf den späteren Umgang der Staaten in Europa miteinander. Zum einen verliert der Völkerbund als Forum an Bedeutung, weil er letzten Endes kraftlos zuschaut, wie ein Mitgliedsland den Frieden bricht. Und zweitens führt Polen Minderheitenrecht und historische Bindungen als Legitimation für seine Kriege an. In Wilna und Umgebung sind die Polen eine Minderheit und ihre Rechte aus der früheren Polnisch-Litauischen Union sind inzwischen 125 Jahre ausgesetzt. Das ist so, auch wenn die Union vorher 400 Jahre von Bestand gewesen ist. Mit exakt der gleichen falschen Legitimation annektieren Hitler 1939 die RestTschechei und Stalin 1940 die drei baltischen Staaten. Das deutsche Volk nimmt diese Unrechtstat der eigenen Regierung gegenüber der Tschechei 18 Jahre später nicht zuletzt auch deshalb ohne Widerstand zur Kenntnis, weil

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