Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
Vom Netzwerk:
derartige Aggressionen in Europa nach 1918 hier in Litauen und andernorts fast an der Tagesordnung sind und von den Siegermächten ohne ernsten Einspruch hingenommen werden. Solches Unrecht ist für die deutschen Menschen im Jahre 1939 also durchaus nicht mehr ungewöhnlich.

    Polnisch-tschechische Auseinandersetzungen

    Der dritte Staat, von dem Polen Land verlangt, ist die Tschechoslowakei. Polen und Tschechen beanspruchen 1918 gleichermaßen das Teschener Gebiet, ein Territorium von etwa 60 mal 50 Kilometer Flächengröße südlich von Oberschlesien.

    Karte 22: Das Teschener Gebiet als Teil Österreichs
    zwischen den Staatsgrenzen von 1918

    Das Ländchen wird in der Literatur mal nach der Stadt Teschen als Teschener Gebiet, mal nach dem Fluß Olsa, der es durchquert, als Olsa-Gebiet bezeichnet. Die Mehrheit der Bevölkerung stellen die Slonzaken, ein eigenständiges kleines Slawenvolk mit eigener Identität, ähnlich den Sorben in der deutschen Lausitz. Ansonsten leben Deutsche, Polen und Tschechen in und rund um Teschen. Die Bedeutung des Teschener Gebiets ergibt sich aus drei Faktoren. Der erste liegt im Reichtum dieser Gegend an Kohlengruben, Stahlwerken und einem erheblichen

    Roos, Polen und Europa, Seite 18
    Teil der tschechischen Schwerindustrie. Der zweite ergibt sich aus den geographischen Gegebenheiten. Am Nordrand des Gebietes durchbricht die Oder, durch die Mährische Pforte fließend, eine Kette von Gebirgen. Der Staat, der im Besitz der Pforte ist, beherrscht ein Einfallstor zu seinem Nachbarland. Der dritte Faktor hängt damit zusammen. In der Mährischen Pforte liegt die Stadt Oderberg mit einem der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte Ostmitteleuropas.

    Bei den Pariser Verhandlungen zur territorialen Nachkriegsordnung setzt Polen mit der Hilfe Frankreichs durch, daß ihm der Ostteil des Teschener Gebietes zugesprochen wird. Nach Streitereien der Tschechen und der Polen teilt der „Höchste Alliierte Rat" das kleine Land erneut zwischen den zwei Kontrahenten auf. Doch Polen will die Teilung so nicht akzeptieren. Es macht geltend, daß die Bevölkerung im Westteil, der bei den Tschechen bleibt, polnisch ist. Dort wohnen aber, was die Polen nicht erwähnen, neben 80.000 Polen auch 150.000 Menschen anderer Nationalitäten. 9

    Die zweite Säule der polnischen Begründung fußt auf den historischen Ansprüchen, so wie sie die Polen sehen. Von 1290 bis 1653 herrschen piastische Herzöge polnischer Herkunft im kleinen Fürstentum Teschen, das aber schon 1292 Teil des Königreiches Böhmen wird. Die Verbindung Teschens zu Polen besteht seitdem nur noch in einer weitläufigen Verwandtschaft der Herrscherhäuser beider Länder.

    Die Herzöge in Teschen gehören einer Seitenlinie der schon 1370 ausgestorbenen polnischen Piastenkönige an. 1625 stirbt auch die Teschener Linie der Piasten mit ihrem letzten Sproß, dem Herzog Friedrich Wilhelm, aus. 1653 gibt der böhmische König das verwaiste Lehen Teschen an einen sächsischen Fürsten weiter 10 . Damit ist das Teschener Gebiet, um es an einer historischen Parallele zu erläutern, 1918 genauso wenig polnisch wie die Toskana deutsch. Soweit die Legitimation der Polen.

    1938, während der Sudetenkrise, greift Polen die Teschen-Frage wieder auf. Zu der Zeit verlangt die Deutsche Reichsregierung von der tschechischen in Prag, ihr die mehrheitlich deutsch besiedelten Sudetenlande zu übergeben. In Warschau hält man die eigene Forderung nach West-Teschen für so berechtigt, wie die deutsche nach den Sudeten. Nachdem England und Frankreich den Anspruch der Polen zunächst anerkennen, verwerfen sie ihn letztlich doch, weil sie als Konsequenz den völligen Zerfall des tschechoslowakischen Vielvölkerstaats befürchten. So lehnen Briten, Franzosen und mit ihnen die Sowjets den Anspruch der Polen auf West-Teschen ab. Die Sowjetunion droht sogar mit ernsten Konsequenzen. Moskau und Prag haben im Mai 1935 einen Beistandspakt geschlossen. So warnen die Sowjets die Polen, sich an Teschen zu vergreifen, und drohen, sonst den Polnisch-Sowjetischen Nichtangriffspakt vom Juli 1932 zu kündigen. Anders die

Burneleit, Seite 21 Meyers Konversationslexikon zu Teschen
    Reaktion aus Deutschland. Am 20. September 1938 fragt der polnische Botschafter Lipski in Berlin bei Hitler an, ob es deutscherseits Bedenken gegen eine polnische Annexion des westlichen Teschener Gebietes gäbe. Hitler und sein Außenminister von Ribbentrop erheben keine Einwände zum Schutz der Tschechen.

Weitere Kostenlose Bücher