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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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das Deutsche Reich zu Ende geht, proklamiert ein Regentschaftsrat in Warschau am 7. Oktober 1918 die Unabhängigkeit des neues Staates Polen. Am 13. Dezember bricht die polnische Regierung die Beziehungen zum Deutschen Reich ab, und Polen betrachtet sich fortan als Siegermacht. Noch im Dezember erheben sich die Polen in den bis dahin zum Reich gehörenden Provinzen Posen, Westpreußen und Oberschlesien und versuchen, diese Territorien gewaltsam Polen anzugliedern.

    Die Provinz Posen ist bis 1793 polnisch und wird erst bei der zweiten Teilung Polens von Preußen annektiert. Sie steht seither mit kurzer Unterbrechung in napoleonischer Zeit unter deutscher Herrschaft. Die großen Städte Posen und Gnesen sind altpolnische Siedlungen, die eine früher Residenzstadt, die andere Bischofssitz. Doch schon Mitte des 13. Jahrhunderts haben polnische Herzöge deutsche Kolonisten in der Posener Gegend angesiedelt. So ist der heutige Stadtkern Posens eine Gründung deutscher Siedler. 1253 haben deutsche Kolonisten links der Warthe neben einer alten polnischen Siedlung rechts der Warthe eine Stadt errichtet, die bis zur Zeit der Gegenreformation eine rein deutsche Gemeinde bleibt. Noch 1918 sind 43% der Bürger der Stadt Posen Deutsche. 57% sind Polen. Ansonsten leben vor dem Ersten Weltkrieg in der Provinz Posen überwiegend Polen. Nur 35% der Bevölkerung der Provinz sind Deutsche. Im

    Piekalkiewicz, Seite 36 und Halecki, Seite 224
Piekalkiewicz, Seite 36
Halecki, Seite 223

    Karte 24: Die frühere Provinz Posen

    Deutschen Reich wird die Angliederung der Provinz Posen an das neue Polen deshalb auch bald akzeptiert. Revanchegedanken, wie um Elsaß-Lothringen in Frankreich, kommen wegen des Verlusts der Provinz Posen in Deutschland nach dem Krieg nicht auf.

    In der Provinz Westpreußen liegen die Verhältnisse nicht so einfach. Das Land, das die Polen Pomerellen nennen, hat in seiner Geschichte von Anfang an oft zwischen polnischer und deutscher Herrschaft hin- und hergewechselt.

    Als sich Polen im Jahre 965 erstmals anschickt, Pomerellen zu erobern, leben dort die Pomoranen, ein eigenständiges westslawisches Volk mit eigener Sprache. Damit sind die Menschen, die dort ursprünglich wohnen, weder deutsch noch polnisch. Die erste Polenherrschaft währt nur kurz. 1119 gelingt es Polen, sich Pomerellen und die Pomoranen erneut zu unterwerfen; diesmal für knapp zweihundert Jahre. Polen steht dabei seinerseits zeitweise selbst unter deutscher Oberherrschaft, zeitweise ist es unabhängig. Ende des 12. Jahrhunderts setzt 350

    Karte 25: Die ab 1919 polnisch gewordenen Teile der Provinz Westpreussen, nun
Woiwodschaft Pomerellen

    außerdem die Einwanderung deutscher Siedler nach Pomerellen ein. In den ersten zwei Jahrhunderten der Polenherrschaft kommt Pomerellen nicht zur Ruhe. Schon 1202 zerfallt Polen wieder in getrennte Herzogtümer.

    Bei Auseinandersetzungen polnischer Herzöge und zur Abwehr von Raubzügen des benachbarten Volks der Pruzzen rufen die Polen den deutschen Kaiser, deutsche Fürsten und zum Schluß den Deutschen Orden wiederholte Male zur Hilfe in das Land. 1226 gibt der Polenherzog Konrad von Masowien den Landstrich zwischen Kulm und Thorn zum Preis der Rückeroberung von den Pruzzen als Schenkung an den Deutschen Orden. Ab 1270 kämpfen zwei polnische Herzöge gegeneinander um Pomerellen und um dessen Hauptstadt Danzig. Sie rufen dabei teils die deutschen Brandenburger, teils den Deutschen Ritterorden zur Waffenhilfe in ihr Land. Am Ende dieses Streits kann der siegende Polenherzog den Orden für seine Unterstützung nicht entlohnen, und so geht Pomerellen 1309 in den Besitz des Deutschen Ordens über. 1343 verzichtet der Polenkönig Kasimir III. offiziell auf Pomerellen, das im deutschen Sprachgebrauch nun Westpreußen heißt. Pomerellen-Westpreußen bildet für das Deutsche Reich fortan die Landbrücke zwischen Pommern und Ostpreußen. 1410, nach der Schlacht bei Tannenberg, erkennt der Deutsche Ritterorden die Oberherrschaft der Polen wieder an. Nach einem weiteren Krieg fällt das Land ab 1466 ganz zurück an Polen. Doch Westpreußen-Pomerellen wird dabei zunächst nicht im Sinne heutigen Verständnisses ein integraler Teil des Staates Polen. Es erkennt im zweiten Thorner Frieden von 1466 lediglich die Lehenshoheit des Polenkönigs an und behält dabei eine Anzahl eigener Hoheitsrechte. So bleiben den Bewohnern Westpreußens die deutsche Sprache, das Recht auf eigene Steuern, die Befreiung vom Kriegsdienst

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