Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
Vom Netzwerk:
oder okkupiert, wie das die Polen sehen – steigt die Angst der Polen, Deutschland könnte auch von ihnen Land und Menschen aus dem Bestand des früheren Deutschen Reichs zurückverlangen. Nach der Annexion des Teschener Gebiets durch Polen im September 38, als Hitler Verhandlungen über die Zukunft der Stadt Danzig fordert und eine Garantie für sichere Verkehrsverbindungen ins abgetrennte Ostpreußen, nimmt die Feindschaft der Polen gegen ihre deutsche Minderheit wieder scharfe Formen an. Terrorakte gegen Deutsche, die Zerstörung deutscher Geschäfte und Brandstiftungen auf deutschen Bauernhöfen werden zum Pogrom. Nach der Rückgliederung des Memellandes an das Reich im März wird die Lage der Deutschen in Polen gänzlich unerträglich.

    Die Polen halten einen Krieg mit Deutschland inzwischen für unumgänglich. Mitte August 39 beginnt man deshalb in Polen mit der vorbeugenden Verhaftung von Angehörigen der Minderheit und ihrem Abtransport nach Innerpolen. Im Sommer 1939 wird die Zahl der Deutschen, die dem entkommen wollen und Polen „illegal" verlassen, immer größer. Bis Mitte August sind über 76.000 Menschen ins Reich geflohen und 18.000 zusätzlich ins Danziger Gebiet. Die Berichte über den Umgang der Polen mit ihrer deutschen Minderheit und die Schilderungen der Geflohenen sind Öl aufs Feuer des deutsch-polnischen Verhältnisses in den letzten Wochen und Tagen vor dem Kriegsausbruch. Die Auseinandersetzung um die Zukunft Danzigs bekommt so eine zweite Dimension. Mit dem Flüchtlingsstrom aus Polen kommt im Sommer 1939 in Deutschland erneut Empörung über die Behandlung der Landsleute im Nachbarland Polen auf. Es zirkuliert die unheilvolle Redewendung: „Wann macht der Führer dem ein Ende?"

    Polen hat sich, anders als von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs vorhergesehen und gewünscht, nicht zu einem Vielvölkerstaat nach Art der Schweiz entwickelt. Es verspielt von Anfang an die Chance, die Minderheiten in ein neues Vaterland zu integrieren. Man macht im neuen Polen nicht einmal den Ansatz des Versuchs, die großen Minderheiten der Deutschen, Juden, Weißrussen und

    Schulze-Dirschau, Seite 155 und Rasmus, Seite 115 Stader Tageblatt vom 18. August 1939
    Ukrainer für das eigene Land zu gewinnen. Polen wird vielmehr zu einem Staat, in dem die Titularnation versucht, das Drittel der Staatsbürger, die ethnisch keine Polen sind, mit Zwangsmaßnahmen zu polonisieren oder zur Auswanderung zu bewegen. Das Bemühen, die Identität der Deutschen, Juden, Weißrussen, Litauer und Ukrainer zu zerstören, dreht Haß und Terror in einer Spirale fast zwei Jahrzehnte lang nach oben. Statt daß die Polen als stärkste Kraft im Lande Aussöhnung und Normalisierung suchen, hält ihr Chauvinismus alle Wunden offen. So ist 1939 in Deutschland und in Rußland auch niemand mehr bereit, die Polen als die Opfer der drei früheren Teilungen zu betrachten, denen man historisch etwas schuldet. Man sieht in ihnen mittlerweile die Täter gegen Deutsche und Russen, denen ein schlimmes Schicksal das Los der Minderheit in Polen aufgebürdet hat. In summa führt Polens Minderheitenpolitik zu extremen Spannungen im eigenen Land und zu handfester Polenfeindlichkeit in fast allen Nachbarländern. Polen wird deshalb auch der zweite der drei in Versailles und Saint-Germain geborenen Vielvölkerstaaten, der am Egoismus seiner Titularnation zerbricht. Genauso wie die Tschechoslowakei davor und Jugoslawien danach an der Unfähigkeit der Tschechen und der Serben scheitern, ihre Minderheiten angemessen am Staate zu beteiligen, so scheitert Polen.

    Deutschlands grundsätzliche Haltung gegenüber Polen

    Der Verlust der gänzlich oder überwiegend deutsch bevölkerten Landesteile Dan-zig und Westpreußen wird im Deutschen Reich nach 1920 von keiner politischen Kraft im Lande akzeptiert. Eine spätere Änderung des Verlaufs der deutsch-polnischen Grenze ist daher das gemeinsame Anliegen aller Parteien im Reichstag von ganz rechts bis ganz links. Außenminister Stresemann bringt das in einem Brief zum Ausdruck, in dem er schreibt:
    „Eine meiner wesentlichen Aufgaben ist die Korrektur der Ostgrenzen:
    Die Wiedergewinnung Danzigs, des polnischen Korridors und eine Kor
    rektur der Grenzen Oberschlesiens: ... Daß wir die Grenze im Osten nicht
    anerkennen, habe ich zum Leidwesen der polnischen Regierung einst in
    einer öffentlichen Rede im Auswärtigen Ausschuß zum Ausdruck gebracht,
    als ich erklärte, daß keine deutsche Regierung

Weitere Kostenlose Bücher