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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Jahre ändern sich die Relationen. 1931 unterhält die Sowjetunion bereits 80 Heeresdivisionen. 1939 zu Beginn des Zweiten Weltkrieges steht Polen mit einer Friedensheeresstärke von 35 Divisionen zwischen Deutschland mit 51 und der Sowjetunion mit 143 Friedensdivisionen. Polens Nachteil liegt dabei nicht nur in diesen Zahlen. Sie liegt auch darin, daß Polen, obwohl es zwischen beiden Kriegen ein volles Drittel aller Staatseinnahmen für sein Militär aufwendet, versäumt hat, den Waffenpark des Heeres und die Flugzeuge seiner Luftwaffe modern zu halten. Weniger entscheidend – obwohl das wundert – ist Polens Mittellage, denn auch die Sowjetunion und Deutschland sind Länder, die strategisch zu der Zeit in der Klemme sitzen: Deutschland zwischen Frankreich und Polen und die Sowjetunion zwischen Polen und Japan in Fernost.

    Aus der Rückschau und in Kenntnis der Niederlage Polens von 1939 wirkt es grotesk, Polen als Bedrohung für das Deutsche Reich oder die Sowjetunion zu sehen. Doch aus der Sicht der Zeit ist Polen durchaus für beide Länder im Verbund mit Frankreich einerseits und Japan andererseits eine ernstzunehmende Gefahr. Diese heute so erstaunliche Einschätzung Polens durch die Deutschen und die Russen in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts resultiert

    Roos, Polen und Europa, Seite 138 Roos, Polen und Europa, Seite 32
    Ploetz, 2. WK, Teil 2, Seite 337 (31 Divisionen und Kavalleriebrigaden in Stärke von weiteren 4
Divisionen)
Ploetz, 2. WK, Teil 2, Seite 122
Ploetz, 2. WK, Teil 2, Seite 448
    damals zum ersten aus den noch taufrischen Erfahrungen, zum zweiten bis 1935 aus den Angriffsplänen Polens für den Fall des Krieges und drittens aus dem, was man in Polen tut und sagt. Die Erinnerungen an die Annexion „Ostpolens" und die Versuche, Oberschlesien zu erobern, werden von Polen aus mit neuen Forderungen nach Land und Leuten und mit weiteren Drohgebärden wachgehalten. Polen läßt keine Wunden heilen.

    Auch Polen hat objektive Gründe, das Deutsche Reich und die Sowjetunion zu fürchten. Zum ersten wird der französische Hebel gegen Deutschland schwächer, seit letzteres 1925 in Locarno die Gebietsgewinne Frankreichs nach dem Weltkrieg anerkennt. Zum zweiten weiß man in Polen, daß Deutschland die Gebietsgewinne Polens überall da nicht anerkennt, wo die Mehrheit der Bevölkerung deutsch spricht, und wo die Sieger Volksabstimmungen verhindert haben. Zum dritten ist die West- und Nordgrenze gegenüber dem Deutschen Reich trotz der zunächst noch vorhandenen eigenen Überlegenheit an Truppen schwer zu verteidigen. Wenn man Ostpreußen als potentielles Einfallstor in Richtung Warschau ansieht oder die Gefahr von dort gegen Polens Nachschub über See durch Pomerellen, muß das den Polen Sorgen machen. So ist die polnische Verteidigungsplanung nach Westen prinzipiell auf die Gefahr aus Deutschland ausgerichtet.

    Bis 1935, solange Polen überlegen ist, beruhen seine Kriegsvorbereitungen auf einem französisch-polnischen Gemeinschaftsplan, dem Foch-Plan. Der sieht einen Angriff beider Länder gegen Deutschland vor, mit Hauptstoß auf Berlin und einen Nebenangriff der Polen gegen Ostpreußen. Der polnische Generalstab hat außerdem drei Zusatzpläne vorbereitet. Einen für einen begrenzten Angriff gegen Hinterpommern zur Erweiterung des Korridors, einen zweiten zur Besetzung Danzigs und eines Teils von Ostpreußen und einen dritten gegen Mittelschlesien. Die Verteidigung der Polen heißt bis 1935 also Angriff gegen Deutschland. Dann wechselt in Polen das Regime. Nach dem Tod Piłsudskis im Jahre 1935 übernimmt ein Nachfolgerkollektiv unter dem General Rydz-Śmigły die Gewalt im Staat. Etwa in dieser Zeit erreicht die deutsche Wehrmacht die Größe der polnischen Streitkräfte. Die Rote Armee der Sowjetunion ist inzwischen auf ein Vielfaches der polnischen gewachsen. Von nun an sieht die polnische Einsatzplanung für den Krieg die Verteidigung des Landes auf eigenem Boden vor. Der bisherige Gedanke, Deutschland in einer gemeinsamen französisch-polnischen Offensive von zwei Seiten her zu schlagen, findet sich ab 1935 allerdings noch als strategisches Ziel in der „Studium Niemcy" (Studie Deutschland) des polnischen Generalstabes wieder. 68

    Roos, Planung Polens, Seite 187
Roos, Planung Polens, Seite 187
Roos, Planung Polens, Seite 191
    Auch 1939 ist die Idee eines Angriffs gegen Deutschland noch nicht ganz vom Tisch. Die Verteidigung Polens 1939 beruht auf einer Denkschrift des Generals

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