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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Kutrzeba vom 26. Januar 1938. Der General geht zwar ganz realistisch von einer Unterlegenheit der polnischen Streitkräfte gegenüber den deutschen aus, doch er glaubt, daß sie Polen dennoch ein paar Wochen halten können. Er rechnet damit, daß Frankreich Polen nach nicht ganz acht Wochen militärisch hilft, und daß Deutschland dann geschlagen werden kann. Auch Kutrzebas Konzept geht noch davon aus, daß ein Krieg nach einer defensiven Anfangsphase in einer zweiten Phase mit einem Angriff auf Berlin für Polen und Frankreich zu gewinnen ist. Er glaubt, daß es dazu kommen wird, sobald die Wehrmacht Teile ihrer Truppen von Polen abziehen und gegen Frankreich werfen muß.

    Ungeachtet der wirklichen Verhältnisse verleihen die vergangenen Siege gegen die Sowjetunion und gegen Litauen sowie ein ausgeprägter Nationalstolz den Polen ein militärisches Selbstbewußtsein, das sich zu einer völligen Selbstüberschätzung ausgewachsen hat. Polens Außenminister Oberst Beck, der Oberbefehlshaber Rydz-Śmigły und offensichtlich auch die Mehrheit des polnischen Offizierkorps glauben kurz vor Kriegsbeginn noch immer, daß die polnischen Streitkräfte den deutschen überlegen sind, und daß sie die Wehrmacht notfalls schlagen würden. So täuscht das Stimmungsbild in Polen vom Sommer 1939 auch die Briten und Franzosen. Es gaukelt ihnen vor, ihr alliierter Partner Polen sei in dem zu erwartenden Krieg mit Deutschland ein Faktor von Gewicht. Noch Mitte 1939 versichern der polnische Kriegsminister seinem französischen Kollegen und der polnische Botschafter in Paris dem französischen Außenminister, bei Ausbruch eines Krieges würden es zuerst die Polen sein, die in Deutschland einmarschierten und nicht umgekehrt. 70

    Zwei Beamte des Londoner Foreign Office, die im Mai und Juni 1939 auf einer „fact finding mission" durch Polen reisen, berichten in ihrem Reiseprotokoll von der Begegnung mit einem Abteilungsleiter des polnischen Generalstabes und weiteren Offizieren:
    „ Teils von ihm, teils von den anderen Herren erfuhr ich, daß man daran
    denke, zu Beginn des Krieges Ostpreußen anzugreifen, weil es für die
    Deutschen schwierig sein würde, die Provinz rasch und ausreichend zu
    verstärken "...
    An späterer Stelle des Berichts wird fortgesetzt:
    „Jedenfalls schien es die allgemeine Auffassung zu sein, daß Ostpreußen
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    von Polen annektiert werden müsse."
    Das Vertrauen auf die eigene militärische Stärke geht so weit, daß polnische Zeitungen in Erwartung eines sicheren Sieges über Deutschland Landkarten und

    Schneider, Seiten 205 ff
Bonnet, Seiten 224 und 252
Foreign Office, S.W. 1, 9th June 1939, Gladwyn Jebb
    Plakate mit den „historischen Westgrenzen Polens" an der Elbe drucken. Obwohl die Polen das langsame Gesunden ihrer beiden Nachbarländer sehen, obwohl sie den Aufbau des Militärs in der Sowjetunion und Deutschland durchaus zur Kenntnis nehmen und von Sorgen um die eigene Sicherheit umgetrieben werden, träumen sie weiterhin von neuen Expansionen. Ihre Träume bleiben den Deutschen infolge zahlreicher amtlicher und inoffizieller Bekundungen nicht verborgen.

    Am 9. Oktober 1925 steht zum Beispiel in der GAZETA GDANSK zu lesen:
    „Polen muß darauf bestehen, daß es ohne Königsberg, ohne ganz Ost
    preußen nicht existieren kann. Wir müssen jetzt in Locarno fordern, daß
    ganz Ostpreußen liquidiert wird. ... Sollte dies nicht auf friedlichem Wege
    geschehen, dann gibt es ein zweites Tannenberg. ..."
    Gemeint ist dabei jene Schlacht von 1410, in der ein polnisch-litauisches Heer das Heer des Deutschen Ordens geschlagen und dessen politischen Niedergang eingeleitet hatte.
    1930 schreibt die Piłsudski-nahe Zeitschrift MOCARSTWOWIEC (Die Liga der Großmacht): „ Wir sind uns bewußt, daß Krieg zwischen Polen und Deutschland nicht vermieden werden kann. Wir müssen uns systematisch und energisch für diesen Krieg vorbereiten. Die heutige Generation wird sehen, daß ein neuer Sieg bei Tannenberg in die Seiten der Geschichte eingeschrieben wird. Aber wir werden dies Tannenberg in den Vorstädten von Berlin schlagen. Unser Ideal ist, Polen mit den Grenzen an der Oder im Westen und der Neiße in der Lausitz abzurunden und Preußen vom Pregel bis zur Spree einzuverleiben. In diesem Krieg werden keine Gefangenen genommen. Es wird kein Platz für humanitäre Gefühle sein. Wir werden die ganze Welt mit unserem Krieg gegen Deutschland überraschen."
    Im September 1930, drei Jahre vor Hitlers

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