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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Am 5. Januar 1939 besucht Polens Außenminister Beck den deutschen Kanzler in der Alpenresidenz bei Salzburg, auf dem Obersalzberg. Hitler spekuliert bei diesem Treffen noch immer auf eine gewisse Dankbarkeit für Oderberg und Teschen. Er unterbreitet ein zweites Mal den Vorschlag vom Oktober und bietet erneut die Anerkennung der verlorenen Gebiete als polnischen Bestand. Er verlangt dafür Danzig und exterritoriale Transitwege. 106
    Den Danzig-Vorschlag bringt Hitler auf die Formel:
    „Danzig kommt politisch zur deutschen Gemeinschaft und bleibt wirt
    107 schaftlich bei Polen." Selbst der Korridor soll dabei polnisch bleiben.
    Auch diesmal kommt ihm der polnische Außenminister kein Stück entgegen. Doch er sichert Hitler zu, „er wolle jedoch das Problem gerne einmal in Ruhe überlegen". 108
    Man trennt sich mit der Zusage, weiter nach Lösungen zu suchen. Der Friede ist noch nicht verspielt.

    Den dritten Anlauf macht die deutsche Seite am 25. Januar 1939 mit einem Gegenbesuch des Außenministers von Ribbentrop in Warschau. Auch dieses Mal bewegt sich nichts, was zu einem Weiterkommen in der Danzig-Frage führen könnte. Und wieder wird die Tür trotz grundsätzlich verschiedener Auffassungen nicht zugeschlagen. Das Schlußcommunique des Treffens spricht von einer
    „ Übereinstimmung, daß sowohl die gegenwärtigen wie die zukünftigen
    Fragen, die beide Staaten gemeinsam angehen, unter Wahrung der
    berechtigten Interessen beider Nationen geprüft und gelöst werden sol
    len." 109
    Beide Seiten sind weiterhin an einem gedeihlichen Auskommen miteinander interessiert. Doch die Reichsregierung strebt nach wie vor eine Linderung der von Versailles hinterlassenen Schäden an. Sie will Danzig, und sie ist bereit, dafür endgültig auf Westpreußen, die Provinz Posen und auf Ost-Oberschlesien zu verzichten. Die polnische Regierung dagegen will den Status quo erhalten. Sie ist auch nicht bereit, die neu eingebrachte Formel „Danzig kommt politisch zu Deutschland und bleibt wirtschaftlich bei Polen" als Kompromiß zu akzeptieren. So ist auch Ende Januar 1939 keine Verhandlungslösung abzusehen, die den deutsch-polnischen Streit dauerhaft beenden könnte.

    106
    v. Weizsäcker Papiere, Seiten 153 und 511 107
    ADAP, Serie D, Band V, Dokument 119 108
    ADAP, Serie D, Band V, Dokument 119 109
    Archiv der Gegenwart, Seite 3908
    Dieser Januar-Versuch von Ribbentrops, die Danzig-Frage auf dem Verhandlungsweg zu lösen, wird – das muß hier eingeschoben werden – von Frankreich torpediert. Nur sieben Wochen vorher hatte von Ribbentrop den Deutsch-Französischen Nichtangriffspakt geschlossen, hatte er erneut vertraglich auf Elsaß und Lothringen verzichtet, und hatte der Minister den subjektiven Eindruck von der „freien Hand im Osten" mit nach Haus gebracht. So kann von Ribbentrop bei seinem Januar-Besuch in Warschau eigentlich erwarten, daß sich Frankreich seinen Verhandlungen in Polen nicht entgegenstellt. Doch schon am ersten Tag des Aufenthalts in Warschau mischt sich die französische Regierung ein und macht den Polen klar, daß sie in Bezug auf Danzig mit der vollen Rückendeckung der Briten und Franzosen rechnen können. Am 26. Januar, gut abgestimmt auf Ribbentrops Besuch bei Beck, hält der französische Außenminister Bonnet eine Rede über die Grundzüge seiner Außenpolitik vor der Pariser Nationalversammlung:
    „... Im Falle eines Krieges würden, ..., falls England und Frankreich
    hinzugezogen werden sollten, alle Kräfte Großbritanniens Frankreich zur
    Verfügung stehen und genauso alle Kräfte Frankreichs Großbritannien. ...
    Bezüglich der Beziehungen zu Polen genügt es, daran zu erinnern, daß der
    polnische Außenminister Beck erklärt hat, daß die polnisch-französische
    Freundschaft unverändert eine der Grundlagen der polnischen Politik
    110 darstellt."... Ministerpräsident Daladier betont in der gleichen Sitzung,
    „ daß es gelte, den Forderungen gewisser Nachbarn ein kategorisches
    Nein entgegenzusetzen."
    Da zu der Zeit die Tschechoslowakei noch nicht zerbrochen ist, und da das Deutsche Reich die Rest-Tschechei noch nicht besetzt hat, kann Bonnet bei seinem Kriegsgerede nur an einen Konflikt um Danzig denken. Auch Daladiers Mahnung, „den Forderungen gewisser Nachbarn ein kategorisches Nein entgegenzusetzen", kann im Januar 1939 nur die Polen und nicht die Tschechen meinen. So sind die Worte Bonnets und Daladiers eine unverhohlene Aufforderung an Warschau, den deutschen Wünschen nach

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