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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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des
    bestehenden Status quo in Danzig als ein Angriff gegen Polen betrachtet
    werden wird".
    Von Moltke antwortet: „Sie wollen auf den Spitzen der Bajonette verhandeln". Der polnische Minister hat damit noch einmal offiziell bekräftigt, daß jede Änderung in Danzig im Sinne deutscher Wünsche einen Krieg zwischen Polen und dem Deutschen Reich auslösen wird. Nun ist klar, daß es für Deutschland in der Danzig-Frage nur noch die Wahl zwischen Verzicht oder Krieg mit Polen gibt. Die Tür für eine auf Danzig begrenzte Lösung, ohne Polen anzufassen, ist damit zugeschlagen.

    Drei Tage nach dem klaren Nein aus Polen, am 31. März 1939, verkündet die britische Regierung, daß England die Unversehrtheit Polens gegenüber Deutschland garantiert. Das schließt ein, daß Großbritannien bei einem deutschpolnischen Streit um Danzig gegen Deutschland kämpfen wird.

    Die Ankündigung der Polen, statt einen Kompromiß zu schließen lieber Krieg zu führen, die provozierende Mobilmachung und das Dazwischentreten Englands nehmen Hitler in den letzten Märztagen 1939 jede weitere Hoffnung, in der Danzig-Frage auf dem bisherigen Weg allein zum Ziel zu kommen. Er setzt jetzt die militärische Option neben weitere Verhandlungen und läßt einen Angriff gegen Polen vorbereiten. Am 3. April gibt Adolf Hitler die Weisung für den „Fall Weiß". Es ist der Auftrag an die Wehrmacht, einen Angriff gegen Polen so vorzubereiten, daß er ab 1. September 1939 möglich ist. Der politische Zusammenhang für die gegebene Weisung findet sich in ihrer Ziffer I:
    „Das deutsche Verhältnis zu Polen bleibt weiterhin von dem Grundsatz
    bestimmt, Störungen zu vermeiden. Sollte Polen seine bisher auf dem glei
    chen Grundsatz beruhende Politik gegenüber Deutschland umstellen und
    eine das Reich bedrohende Haltung einnehmen, so kann eine endgültige
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    Abrechnung erforderlich werden."
    Polen tanzt ab dem 3. April 1939 auf dem Vulkan. Der Ausbruch ist für den 1. September angesagt.

    Hitler sieht in der Mobilmachung als Antwort auf ein Verhandlungsanerbieten und im Britisch-Polnischen Abkommen, das sich offensichtlich gegen Deutschland richtet, einen Bruch des Deutsch-Polnischen Freundschafts- und Nichtangriffsvertrages von 1934, den er deshalb vier Wochen später kündigt. Hitler spricht die Aufkündigung am 27. April in einem Memorandum an die polnische Regierung 121
    und tags darauf in einer Reichstagsrede aus. Im Memorandum und in der Rede erkennt er noch einmal Polens Anspruch auf Westpreußen-Pomerellen und den eigenen Zugang zur Ostsee an. Er bietet an, neue vertragliche Regelungen zwischen beiden Staaten auszuhandeln. Dies ist das fünfte deutsche

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    OKW, Weisung „Fall Weiß" vom 3. April 1939, siehe dtv-Hitlers Weisungen, Seite 19 121
    ADAP, Serie D, Band VI, Seiten 288 ff
    Angebot, die Streitpunkte zwischen Deutschland und Polen endgültig durch Verträge aus der Welt zu schaffen. Hitler droht Polen im Memorandum und in der Reichstagsrede mit keinem einzigen Wort mit Gewaltmaßnahmen oder Krieg. Noch immer wäre bei einer Rückkehr Danzigs der Weg zum Frieden zwischen dem Deutschen Reich und Polen offen.

    In Polen beurteilt man die Dinge derweilen völlig anders. Am 5. Mai 1939 begründet Außenminister Beck seine Politik des Status quo und der Abweisung der deutschen Forderungen vor dem Sejm, dem Parlament in Warschau. 122
    Der Status der Freien Stadt – so sagt er – beruhe nicht auf den Verträgen von Versailles, sondern auf der jahrhundertelangen Zugehörigkeit der Stadt zu Polen. Der Reichtum Danzigs sei das Ergebnis des Außenhandels, den Polen auf der Weichsel über Danzigs Hafen treibe. Daß die Weichsel in den vergangenen 19 Jahren unter polnischer Verwaltung zugesandet ist, und daß dort kein Schiff mehr fährt, verschweigt er. Beck fragt vor dem Plenum des Parlaments, was Deutschland Polen im Tausch für Danzig anzubieten habe. Das Angebot der deutschen Reichsregierung, alle Gebietserwerbungen ehemals deutscher Territorien durch Polen nach dem Ersten Weltkrieg als endgültig polnisch anzuerkennen, sei kein Angebot. Die Gebiete, um die es dabei ginge, seien „de jure und de facto 123
    längst unbestreitbar polnisch". So sei die deutsche Forderung nach Danzig und nach exterritorialen Transitwegen nichts anderes als ein Nehmen ohne Gegenleistung. Daß Marschall Piłsudki zu seinen Lebzeiten die deutschen Reichsregierungen immer wieder um genau diese Anerkennung gebeten hatte, unterschlägt Beck in seiner Rede. Als

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