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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Verträge mit der Sowjetunion verletzt und faktisch annulliert, das Litwinow-Protokoll von 1929 und den Nichtangriffspakt von 1932. Beide Verträge waren den Polen einst von den Sowjets angeboten worden. Man kann zwar mit Recht feststellen, daß die Sowjets später andere Nichtangriffsverträge z. B. mit Finnland, Estland und weiteren Ländern auch nicht eingehalten haben, und daß die zwei Verträge mit Polen vermutlich bei Bedarf ebenfalls gebrochen worden wären, doch der Vertragsbruch des Litwinow-Protokolls geht eindeutig von den Polen aus. Die Polen haben mit dieser eigenmächtigen Landerwerbung zu Lasten ihrer tschechischen Nachbarn auch den schon mehrfach zitierten KelloggPakt mißachtet. Sie haben die Verträge, die ihr „Ostpolen" vor den Sowjets hätte schützen können, selbst zerrissen. Polen jagt als Hai im Haifischbecken solange mit, bis es selbst gefressen wird.

    Das Verhältnis Polens zur Tschechoslowakei

    Das Verhältnis der Nachbarn Tschechoslowakei und Polen bleibt in den 20 Jahren ihrer Unabhängigkeit kühl und distanziert. Beide Ländern sind Vielvölkerstaaten mit ähnlichen Problemen, die sie mit der nur schwach ausgeprägten Loya

    Roos, Polen und Europa, Seite 34 Sowjetische Note an die polnische Regierung vom 23. September 1938
    lität ihrer Volksminoritäten haben. Beide sind deshalb mit den Begehrlichkeiten der Muttervölker ihrer Minderheiten konfrontiert. Sowohl die Polen als auch die Tschechen hätten deshalb Grund zum Schulterschluß gehabt. Doch ein paar Gegensätze trennen beide Nachbarn. Das ist zum ersten Polens Forderung nach dem tschechoslowakischen Teil des Teschener Industriegebiets. Das ist zweitens in umgekehrter Richtung die offene Unterstützung der Tschechen für die Unabhängigkeitsbestrebungen der Ukrainer im benachbarten polnischen Galizien. Und das ist zum dritten die Unterstützung der Polen für die Ungarn, die die ungarisch besiedelten Randgebiete der Tschechoslowakei zurückerhalten wollen.

    Karte 30: Randgebiete mit ungarischen und polnischen Minderheiten

    So paktiert in diesem Raum ein jeder mit dem Feind des Nachbarn, statt mit dem Nachbarn Ausgleich und Schulterschluß zu suchen. Die polnische Führung kommt überdies – ähnlich der deutschen – schon sehr früh zu der Auffassung, daß die Tschechoslowakei als Versailler Kunstprodukt nicht lebensfähig ist und durch den inneren Nationenkonflikt von selber auseinanderbrechen wird. Als die französische Diplomatie vor der Sudetenkrise 1938 Versuche unternimmt, Polen in eine antideutsche Koalition zur Unterstützung der Tschechoslowakei einzubinden, bekommt sie das zu spüren. Die Franzosen erhalten eine kalte Abfuhr. Polens Außenminister Beck läßt den französischen Botschafter Noel in Warschau wissen, daß die „Tschechoslowakei in naher Zukunft verschwinden müsse" und daß man sich in Polen selbst darauf vorbereite „einen Teil des Erbes an sich zu nehmen." Der polnische Botschafter in Paris, Graf Łukasiewicz, gibt dem französischen Außenminister Bonnet eine Auskunft in der gleichen Richtung. Łukasiewicz antwortet,

    Bonnet, Seite 41

    „ daß die Tschechoslowakei, ein willkürliches Kompositum zahlreicher
    einander äußerst feindlicher Minderheiten, ein zum Tode verurteiltes
    Land sei. Sie trotzdem verteidigen zu wollen, sei ein schwerer Irrtum
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    Frankreichs und Großbritanniens."
    Mit Polens Truppenaufmarsch in Teschen, mit der Kriegsdrohung in der letzten Septemberwoche 1938 und mit der Okkupation von West-Teschen am 1. Oktober ist das polnisch-tschechische Verhältnis endgültig ruiniert. Abgesehen vom Domino-Effekt, den diese Handlung später in der Sowjetunion und im Deutschen Reich gegenüber Polen auslöst, hat Polen damit einen weiteren Feind.

    Das Verhältnis Polens zum Deutschen Reich

    Die deutsch-polnischen Beziehungen sind im Ansatz schon beschrieben worden. Als Außenminister Stresemann 1925 seine Freundschafts- und Versöhnungsbemühungen gegenüber Frankreich mit dem Rheinpakt und mit der Anerkennung der deutsch-französischen Grenze krönt, versucht Marschall Piłsudski, die gleichen Zugeständnisse und Garantien für die deutsch-polnischen Grenzen und für Polens Landgewinne zu bekommen. Der deutsche Außenminister weist Piłsudskis Wünsche ab und erklärt ganz offen, daß Deutschland zwar keinen Krieg beginnen werde, doch auf Gelegenheit zu einer Neuregelung in den Grenzregionen warte. Polen seinerseits läßt nicht mit dem Bemühen nach, Danzig in kleinen

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