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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Schritten und mit vielen Winkelzügen aus dem Völkerbundsmandat zu lösen und sich selber einzugliedern. Des weiteren wollen die vielen halbamtlichen und privaten Stimmen aus Polen nicht verstummen, die Schlesien, Ostpreußen und Pommern für Polen fordern. So steht das Verhältnis beider Länder zueinander bis 1933 unter der doppelten Hypothek der deutschen Ansprüche an Polen und der polnischen Wünsche nach weiterem deutschen Land.

    Erst Adolf Hitler bricht mit dieser starren deutschen Haltung. Er sieht in Polen das Land eines alten Volkes, das anders als die Tschechen und Slowaken niemals in der Geschichte in seiner Gänze zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehört hat. Für Hitler ist der Staat Polen ein Puffer zwischen dem „Dritten Reich" und der ihm so verhaßten kommunistischen Sowjetunion. Obwohl oder gerade weil Polen nach seinem Amtsantritt versucht, Deutschlands Wiederaufstieg mit einem Präventivkrieg und mit anderen Machenschaften zu verhindern, bietet Hitler dem polnischen Diktator Marschall Piłsudski einen Freundschaftsund Nichtangriffspakt, der im Januar 1934 von beiden Seiten unterzeichnet wird, – ein Vertrag auf die Dauer von 10 Jahren. 95

    Bonnet, Seite 41
    D-PO-Vertrag vom 26. Januar 1934. Siehe Vertrags-Ploetz Teil II, Band 4, Seite 125

    Abb. 11: Propagandaminister Goebbels zu Besuch bei Marschall Piłsudski nach
Unterzeichnung des Deutsch-Polnischen Vertrages
von links: der Gesandte Graf Moltke, PiJsudski, Goebbels,
der polnische Außenminister Beck.

    Piłsudski durchschaut den Wandel der Verhältnisse zu Polens Nachteil. Er registriert Frankreichs sinkendes Interesse. Mit großer Sorge sieht er die Annäherung der Franzosen an die Russen. Er kennt Hitlers Alternative, statt mit Polen mit der Sowjetunion zu koalieren. Außerdem ist ihm bewußt, daß Deutschlands Wiederaufrüstung auf Dauer kaum noch zu verhindern ist. Hitler auf der anderen Seite hofft, Polen zum Entgegenkommen zu bewegen, wenn er die deutschen Revisionsansprüche deutlich reduziert und Polen zu dessen Ostambitionen Rückendeckung gibt. Piłsudski hegt nämlich eigene Wünsche nach einer großpolnischen Föderation mit einer halbabhängigen Ukraine unter Polens Vorherrschaft. Auch Hitler hat Ukraine-Ambitionen. Er sieht in dem Teil der Ukraine, der ostwärts Polens Grenzen liegt, die Zukunftskolonie für Deutschland. Beide Diktatoren wissen, daß dies nur gegen die Sowjetunion zu machen ist, und jeder hofft, die „Visionen" des anderen in irgendeiner Weise irgendwann für sich zu nutzen.

    Seit dem Abschluß des deutsch-polnischen Abkommens von 1934 gestalten sich die Beziehungen zwischen Berlin und Warschau im großen und ganzen positiv. Das bleibt auch so nach Piłsudskis Tod. Selbst bei den polnisch-deutschen Differenzen um Minderheiten und Gebiete sieht es zwischendurch so aus, als seien Lösungen nicht ausgeschlossen. François-Poncet, Frankreichs Botschafter in Berlin, berichtet als Beobachter der Szene:
    „ Oberst Beck (Polens Außenminister) stand mit Göring auf vertrautem
    Fuß und dieser folgte jedes Jahr einer Einladung zur Jagd in den polni
    schen Wäldern. Bei diesen freundschaftlichen Zusammenkünften sprach
    man natürlich auch über die Danziger Frage und den polnischen
    Korridor, also über Probleme, die eines Tages im Interesse der guten
    Beziehungen beider Länder gelöst werden mußten. Oberst Beck gab zu
    verstehen, Polen werde sich nicht weigern, Danzig an das Reich
    zurückzugeben, wenn es dort wirtschaftliche Vorrechte beibehielte. Auch
    würde sich Polen mit einer exterritorialen Autobahn und Eisenbahnlinie
    96
    zwischen West- und Ostpreußen einverstanden erklären."
    Der Vertrag mit Deutschland gibt Polen freie Hand für anderweitige Gebietserwerbungen. 1938, als die Sudetendeutschen wünschen, den Staatsverband der Tschechen und Slowaken zu verlassen, sieht die polnische Regierung ihre Chance kommen. Am 20. und 24. September 1938 läßt sie Botschafter Lipski in Berlin erst Hitler und dann von Ribbentrop fragen, ob Polen die derzeitige Sudetenkrise nutzen und der angeschlagenen Tschechoslowakei den noch tschechischen Teil des Teschener Gebiets entreißen könne. Hitler hat nichts dagegen einzuwenden, äußert aber zugleich die Hoffnung, daß man sich auch bald in der Danzig-Frage gütlich einigen könne. Polen vergreift sich daraufhin an der innerlich schon zerrissenen und nicht mehr abwehrfähigen Tschechoslowakei und annektiert am 1. Oktober 1938 Teschen und das dortige

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