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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Industriegebiet.

    Was nun folgt, ist eine Serie vergeblicher Versuche von deutscher Seite, das Danzig- und das Korridor-Problem auf dem Verhandlungsweg zu lösen. Kern der deutschen Kompromißvorschläge ist das Angebot, die polnischen Gebietserwerbungen an ehemals deutschem Land aus den Jahren 1918 bis 1921 als endgültig anzuerkennen. Das sind Gebiete in Oberschlesien, Westpreußen und die Provinz Posen. Um diese Anerkennung hatte Marschall Piłsudski von 1920 bis zu seinem Tode 1935 mehrfach vergeblich nachgefragt. Die 16 Reichsregierungen vor Hitler hatten diesen Wunsch der Polen nicht erfüllen wollen. Hitler bietet die erbetene Garantie nun gegen zwei „Tauschobjekte": die Angliederung der alten Hansestadt Danzig, die völkerrechtlich ohnehin nicht polnisch ist, zurück ans Reich und exterritoriale Zugangswege in das abgetrennte Ostpreußen. Die Reichsregierung nimmt sechsmal vergeblich den Anlauf zu Verhandlungen. Die Serie der Gespräche beginnt am 24. Oktober 1938 und setzt sich mit immer neuen Versuchen am 19. November 99 , am 5. Januar 1939 100 , am 25. und 26. Januar 101 , am

François-Poncet, Seite 213 Rassinier, Seite 230
    ADAP, Serie D, Band V, Dokument 81
ADAP, Serie D, Band y Dokument 101
100
    ADAP, Serie D, Band Y Dokument 119 101
    (Kein Protokoll bekannt)
    21. März 102 und am 28. April 103 fort, bis am 30. August 1939 104 die letzte Offerte an Polen geht. Am 24. Oktober 1938, drei Wochen nachdem die Polen Teschen und Oderberg erhalten haben, schlägt Außenminister von Ribbentrop seinen polnischen Kollegen ein Acht-Punkte-Programm zur Lösung der deutsch-polnischen Probleme vor. Die acht Punkte bleiben mit Abänderungen die Grundlage auch der späteren deutschen Angebote bis zu dem am 30. August 1939. Sie lauten:
    „ 1. Der Freistaat Danzig kehrt zum Deutschen Reich zurück.
    2. Durch den Korridor wird eine exterritoriale, Deutschland gehörende Reichsautobahn und eine ebenso exterritoriale mehrgleisige Eisenbahn gebaut.
    3. Polen behält im Danziger Gebiet ebenfalls eine exterritoriale Straße oder Autobahn und Eisenbahn und einen Freihafen.
    4. Polen erhält eine Absatzgarantie für seine Waren im Danziger Gebiet.
    5. Die beiden Nationen anerkennen ihre gemeinsamen Grenzen (Garan tie) oder die beiderseitigen Territorien.
    6. Der deutsch-polnische Vertrag wird von 10 auf 25 Jahre verlängert.
    7. Polen tritt dem Antikomintern-Vertrag bei.
    8. Die beiden Länder fügen ihrem Vertrag eine Konsultationsklausel bei." 105
    Trotz allen bisherigen Bemühens beider Seiten, die Beziehungen zueinander intakt zu halten, beginnt nun eine innerpolnische Entwicklung, die den Dialog zwischen polnischer und deutscher Regierung überrollt. Seit 1937 verändert sich in Polen die innere Großwetterlage. Zum ersten wird Becks „Verständigung" mit Deutschland angegriffen. Zum zweiten erreicht die Drangsalierung der Minderheiten einen neuen Höhepunkt und drittens schießt sich die Presse in Polen auf alles Deutsche ein. Damit hat Beck so gut wie keinen Spielraum mehr, sich in der Danzig-Frage zu bewegen.

    Am 19. November 1938 läßt Botschafter Lipski von Ribbentrop in einer Unterredung wissen, daß sein Außenminister Beck den deutschen Danzig-Wünschen aus innenpolitischen Gründen nicht werde zustimmen können. Am gleichen Tag trifft Becks offizielle Antwort auf den deutschen Vorschlag bei Adolf Hitler ein. Die ist höflich, jedoch auch unverbindlich. Beck versucht, einem Danzig-Zugeständnis mit der Antwort zu entkommen, daß man nach einer Gesamtlösung für alle noch strittigen Probleme suchen müsse. Auch der deutsche Vorschlag, Polen möge als weiteres Mitglied dem antisowjetischen Antikomintern-Bündnis beitreten, ist für Warschau nicht akzeptabel. Polen kann sich als Nachbar nicht ohne negative Folgen so offen gegen Rußland stellen. So taucht der „Antikomintern-Vorschlag" auch in den weiteren deutschen Verhandlungsangeboten nicht mehr auf.

    102
    ADAP, Serie D, Band VI, Dokument 61 103
    ADAP, Serie D, Band VI, Dokument 276 104
    AA 1939, Nr. 2, Dokument 466, Anlage II 105
    ADAP, Serie D, Band V, Dokument 81
    Selbst nach dieser Ablehnung aus Warschau hätte Polen weiterhin die Chance gehabt, sich eine Danzig-Lösung von deutscher Seite für gewisse Entgegenkommen zum eigenen Vorteil abhandeln zu lassen oder – wenn es schlechter kommt – vollendete Tatsachen in Bezug auf Danzig auch ohne eigene Territorialverluste hinzunehmen. Hitler hofft nach wie vor auf eine Lösung auf dem Verhandlungswege.

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