Der Krieg, der viele Vaeter gatte
der deutschen Wehrmacht. Auch Łukasiewicz weist die Befürchtungen Bonnets mit der Bemerkung ab:
„Im Gegenteil, die polnische Armee wird vom ersten Tage an nach
Deutschland eindringen." 261
In Polens Regierungskreisen haben sich offensichtlich Gerüchte über die ablehnende Haltung der Wehrmachtsführung gegenüber Hitlers Angriffsplänen herumgesprochen. Auch das nährt die Siegessicherheit in Polen. 18 Stunden vor Beginn des Krieges versuchen ein schwedischer Vermittler namens Dahlems und ein Diplomat der britischen Botschaft in Berlin in sozusagen letzter Stunde dem polnischen Botschafter Lipski ein weiteres Verhandlungsangebot Hitlers zu überbringen. Lipski macht deutlich, daß er es nicht zur Kenntnis nehmen will und sagt dem Briten:
259
Botschafterbericht vom 28. März 1939 aus Warschau, siehe ADAP, Serie D, Band VI, Dokument
115 und AA 1939 Band 2, Dokument 210
260
Bonnet, Seite 224
261
Bonnet, Seite 252
„daß er in keiner Weise Anlaß habe, sich für Noten oder Angebote von
deutscher Seite zu interessieren. Er kenne die Lage in Deutschland nach
seiner fünfeinhalbjährigen Tätigkeit als Botschafter gut. ...Er sei davon
überzeugt, daß im Fall eines Krieges Unruhen in diesem Land ausbrechen
und die polnischen Truppen erfolgreich gegen Berlin marschieren wür
262
den."
Selbst nach dem 23. August, an dem der für Polen so verhängnisvolle deutschsowjetische Vertrag geschlossen wird, schätzt Polens Außenminister Beck die Lage seines Landes immer noch nicht richtig ein. Er bewertet den Pakt als eine Verzweiflungstat der Deutschen, die nach seiner Meinung gegenüber den alliierten Polen, Briten und Franzosen in einer schlechten Lage stecken. 263
Beck ist durch die überzogene Selbstdarstellung der polnischen Armee beeinflußt, durch die aufgewühlte Kriegsstimmung der Bevölkerung gebunden und durch die antideutsche Haltung der Medien in Polen so sehr festgelegt, daß ihm nun durch polnisches Verschulden kein Spielraum in der Danzig-Frage offenbleibt. Die wenigen mäßigenden Stimmen, die es trotzdem noch in Polen gibt, verhallen ohne Wirkung. Am 23. August – das soll als Beispiel dienen – erscheint Graf Lubieński, der Kabinettschef des polnischen Außenministers, aus Warschau in Berlin und versucht, die drohende Krise zu entschärfen, indem er seinen Minister als friedens- und verhandlungswillig, doch im Moment nicht handlungsfähig schildert. Lubieński will Zeit für Beck gewinnen. Sein Argument:
„Oberst Beck ist sich über die Lage durchaus im klaren. Er unterschätzt
keineswegs die Stärke der deutschen Armee, obwohl Marschall Rydz
Smigfy ständig behauptet, er werde sie in einer neuen Schlacht bei Grun
264
wald
in Stücke schlagen. Er kennt ebenfalls die Schwäche der französi
schen und britischen Armee. Im übrigen bereitet ihm die zwischen
Deutschland und der Sowjetunion eingetretene Entspannung große Sorge.
Aber Sie müssen auch einsehen, daß die nationale Stimmung in Polen bis
zur Weißglut angefacht ist und kein Staatsmann heute das Zauberwort fin
265
den kann, um die entfesselten Geister wieder zu beschwichtigen ..."
Lubieńskis Mission bleibt bedauerlicher Weise ohne Wirkung. Beck zieht keine Konsequenzen. Er verpaßt die Chance, den Status der Stadt Danzig zu Gunsten der dafür angebotenen Garantie der Nachkriegsgrenzen Polens einzutauschen. Letzteres ist immerhin über 20 Jahre lang das Ziel der polnischen Außenpolitik gewesen.
So glaubt in Polen die Mehrzahl der Offiziere, Diplomaten, Politiker und Medienmitarbeiter am Tag vor Kriegsbeginn eher an den Einzug polnischer Truppen in Berlin als an die baldige Eroberung der Hauptstadt Warschau durch die Wehrmacht.
262
Dahlems, Seite 110 und IMT-Protokolle, Band IX, Seite 521 263
Rassinier, Seite 268
264
Historische Schlacht bei Tannenberg 1410
265
Benoist-Méchin, Band 7, Seiten 433 f
Die letzten Vermittlungsvorschläge
Der August 1939 wird zu einem in jeder Hinsicht heißen Monat. Briten, Polen, Russen, Franzosen, Italiener, Deutsche, Amerikaner, Belgier, Schweden und der Heilige Stuhl schüren je nach Interessenlage Feuer oder schleppen Wassereimer; die einen für den Frieden, die anderen für das Selbstbestimmungsrecht des eigenen Volkes oder für die eigene Besitzstandwahrung und letzten Endes die meisten für den Krieg.
Der König der Belgier appelliert im Namen der Oberhäupter vieler kleiner Staaten an Deutsche und an Polen, sich gütlich zu einigen und den Frieden für Europa
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