Der Krieg, der viele Vaeter gatte
ist ein Spiel auf Zeit mit wenig Sinn für die Dramatik jener Krise. Chamberlain schlägt vor, die Verhandlungen mit Polen so lange auszusetzen, bis sich das deutsch-polnische Verhältnis abgekühlt und beruhigt hat. Das zweite Angebot muß Hitler locken. Der britische Premier stellt spätere Verhandlungen in Aussicht, die parallel zur Danzig-Frage „gleichzeitig die
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großen zukünftigen internationalen Beziehungen regeln könnten, einschließlich derer, die England und Deutschland interessieren". Das ist verklausuliert das Angebot, mit der Regelung der Polen-Sache auch das deutsch-englische Verhältnis neu zu arrangieren. Das ist es, was Hitler seit seinem Amtsantritt versucht.
Des weiteren enthält Chamberlains Brief die sehr direkte Warnung, daß ein Krieg zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich ein langer Krieg mit vielen Fronten werde. Tragisch für das deutsche Volk und viele andere Völker ist, daß Hitler die Dimension der Warnung und ihre Konsequenzen nicht erkennt. Großbritannien will und wird den Krieg um eine einzige Ostsee-Hansestadt zum Weltkrieg machen. Es wird die Dominions von Australien über Indien bis Kanada aufbieten, die alte Waffenbrüderschaft zu den USA reaktivieren und den Krieg an Deutschlands weite Flanken tragen, von Norwegen in Nord- bis Griechenland in Südeuropa.
Hitler hat es eilig mit der Antwort. Schon um 18 Uhr des gleichen Tages überreicht er Henderson den Antwortbrief an Chamberlain. 274
Er betont den Wunsch nach Freundschaft mit Großbritannien, beklagt sich über Polen und rollt den Ball mit einem Hinweis auf die Verantwortung für Versailles zurück nach England.
„Deutschland", so schreibt Hitler, „hat niemals Konflikte mit England
gesucht und sich nie in englische Interessen eingemischt. Es hat sich im
Gegenteil – wenn auch leider vergebens – jahrelang bemüht, die englische
Freundschaft zu erwerben."
Soweit Hitlers Antwort auf das Angebot umfassender Verhandlungen. Er wendet sich dann Polen zu und setzt fort:
„Deutschland war bereit, die Frage Danzig und die des Korridors durch
einen wahrhaft einmalig großzügigen Vorschlag auf dem Wege von Ver
handlungen zu lösen."
England habe, so argumentiert er, dieses Angebot durch Stimmungsmache gegen Deutschland und durch die Garantieerklärung an die Polen sabotiert. Deutschland werde Druck und Ultimaten auf die deutsche Minderheit in Polen und gegen die Stadt Danzig nicht mehr weiter dulden.
„ Unabhängig davon müssen und werden die Fragen des Korridors und
von Danzig ihre Lösung finden."
Der Brief endet mit den Sätzen:
„Die Frage der Behandlung der europäischen Probleme im friedlichen
Sinn kann nicht von Deutschland entschieden werden, sondern in erster
Linie von jenen, die sich seit dem Verbrechen des Versailler Diktats jeder
friedlichen Revision beharrlich und konsequent widersetzt haben. ... Ich
habe Zeit meines Lebens für eine deutsch-englische Freundschaft
gekämpft, bin aber durch das Verhalten der britischen Diplomatie – we
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nigstens bisher – von der Zwecklosigkeit eines solchen Versuchs
überzeugt worden. Wenn sich dies in der Zukunft ändern würde, könnte
niemand glücklicher sein als ich.
gez. Adolf Hitler"
Dieser erste Notenaustausch in der letzten Woche vor dem Krieg läßt noch auf Verständigung hoffen. Beide Regierungschefs versichern sich, daß sie Krieg vermeiden wollen. Doch beide verfolgen jeder für sich eine Doppelstrategie, die in sich widersprüchlich ist. Chamberlain will die Lösung der anstehenden Probleme nur auf dem Verhandlungswege dulden, doch den hat er mit seinem Garantieversprechen an die Polen de facto selbst versperrt. Und Hitler will sowohl eine Annäherung an England als auch in der Danzig-Frage nicht weiter auf der Stelle treten. Auch das ist kaum vereinbar.
Hitler steht vor dem „entweder – oder" und er bereitet beides vor: Verhandlungen und Krieg. Am Nachmittag des 23. August läßt er den Wehrmachtsadjutanten Oberst Schmundt kommen und befiehlt ihm, das Oberkommando der Wehrmacht solle den Angriff auf Polen für den 26. August um 4.30 Uhr früh vorbereiten. 275
Nach dem Brief an Chamberlain und der Unterredung mit Schmundt sendet Hitler noch ein Telegramm an Daladier, den französischen Ministerpräsidenten. Er führt darin unter anderem aus:
„Ich hege keinerlei Feindschaft gegen Frankreich. Ich habe persönlich
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