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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Interessensphären. Es schert sich wenig um die Freiheit und Unabhängigkeit der kolonial gehaltenen Völker von Indien bis Nigeria. Dennoch, die Rede baut keine neue Hürden auf.

    Botschafter Henderson beurteilt das Verhalten der polnischen Regierung offensichtlich anders als sein Regierungschef in London. Am späten Vormittag meldet er per Telegramm ans Foreign Office, was er für das Ergebnis seiner letzten zwei Gepräche mit dem deutschen Kanzler hält:
    „Mit dem Vertrag mit Rußland in der Hand", so Henderson, „liegt die
    Initiative nun bei Hitler. Ich erwarte jetzt ein Ultimatum an Polen. Jetzt
    ist mit Hitler kaum noch zu verhandeln. ... Es war niederschmetternd, weil
    ich von Anfang der Meinung war, daß die Polen äußerst dumm und nicht
    weise gehandelt haben. So ist es nun. Vielleicht glaubt die Vorsehung,
    daß wir erst durch einen Krieg lernen müssen, so etwas nicht wieder zu
    281
    tun."
    Gegen Mittag wird Hitler eine Meldung des Reichspressechefs auf den Tisch gelegt, wonach noch heute mit der Unterzeichnung eines englisch-polnischen Beistandsvertrags zu rechnen sei. Damit zerstört sich vorerst Hitlers Hoffnung, daß der deutsch-sowjetische Vertragsabschluß von letzter Nacht die Briten dazu

    279
    Rassinier, Seite 277
    280
    British War Bluebook, Document 64
    281
    Documents Brit. Foreign Policity, Third Series, Volume VII, Document 257
    bewegen könnte, den Polen anzuraten, in der Danzig-Frage einzulenken. 282 Er läßt General Keitel, den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, kommen und fragt ihn, ob man den Angriff gegen Polen noch anhalten und verschieben könne. 283
    Er müsse – so Hitler – „Zeit für weitere Verhandlungen gewinnen". Die Sofortanfrage beim Heer bestätigt, daß das möglich ist, und Hitler ordnet an, den Angriff auf einen unbekannten Zeitpunkt zu verschieben. Der „Führer" bevorzugt an diesem Tage, dem 24. August, offensichtlich noch immer eine „Lösung ohne Blutvergießen".

    Während des ganzen Tages tauschen die Regierungen in London und Warschau rege Informationen aus. Englands Botschafter in Warschau Sir Kennard telegraphiert nach London, daß die deutschen Klagen über angebliche Mißhandlungen von Minderheitenangehörigen Entstellungen von Tatsachen seien und Übertreibungen. 284
    So seien nicht 76.000 Deutsche illegal aus Polen geflohen, sondern höchstens 17.000. Und Kennard beklagt sich über die sehr hohe Zahl an Übergriffen gegen Angehörige der polnischen Minderheit in Deutschland. Wieweit man der Kennard-Darstellung in London angesichts der früheren Unterhausdebatten über die Terrorisierung der ukrainischen und der deutschen Minderheit im neuen Polen Glauben schenkt, ist nicht ersichtlich.

    In Paris bemüht man sich inzwischen auf die eigene Art um Frieden.
    „Die französische Regierung empfiehlt nachdrücklichst der polnischen,
    sich vor jeder militärischen Reaktion zu hüten und mit einer diplomati
    schen Aktion zu antworten, wenn der Danziger Senat von sich aus den An
    285 schluß Danzigs an das Deutsche Reich erklären sollte."
    Was wundert, ist, daß Frankreich diesen „Selbstanschluß" nicht als Idee und Kompromiß in die deutsch-englisch-polnische Debatte wirft. Es wirkt vielmehr so, als ob die französische Regierung in dieser hochangespannten Lage lieber wartet, bis Deutschland selbst nach Danzig greift und die Schuld am Kriege übernimmt.

    In Washington bleibt alles bei Roosevelts Politik der Quarantäne gegen Deutschland, obwohl der „Hitler-Stalin-Pakt" von letzter Nacht die Lage Polens mit einem Schlag verändert hat. Am frühen Morgen dieses Tages verrät der deutsche Diplomat Herwarth von Bittenfeld in Moskau einem amerikanischen Kollegen den Inhalt des gerade einmal sechs Stunden alten geheimen Zusatzabkommens, das Osteuropa in eine russische Interessensphäre und eine deutsche teilt. Die Trennungslinie teilt auch Polen. Mittags um 12 Uhr kabelt Botschafter Steinhardt den Inhalt des Geheimen Zusatzprotokolls an das Außenministerium in Washington. 286
    Nur wenig später kennen Präsident Roosevelt und sein Außenminis-

    282
    v. Weizsäcker Erinnerungen, Seite 254
    283
    Keitel, Seiten 248 f
    284
    British War Bluebook, Document 52
    285
    Bonnet, Seite 273 und Französisches Gelbbuch, Aktenstück 222
    286
    Bavendamm, Roosevelts Weg zum Krieg, Seite 592, und Rassinier, Seite 340. Eine Faksimile des Steinhardt-Telegramms enthält Maser, Seiten 63 und 64

    ter Hull die heiße Nachricht und damit auch die Gefahr, die Polen ab sofort

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