Der Krieg, der viele Vaeter gatte
jede in ihrer Macht liegende Unterstützung und Hilfe zu gewähren" die polnische Regierung und die polnische Öffentlichkeit in eine Siegessicherheit versetzt, die sie verleitet hat, den Krieg dem Kompromißweg vorzuziehen. Die Garantien sollten Hitler bremsen, statt dessen mobilisieren sie die Polen.
Daß es London dabei weder um die Unabhängigkeit der Tschechen oder Polen geht, noch um die Menschenrechte und den Frieden, noch um die Freiheit kleiner Völker, zeigt Englands sonstiges Verhalten. Parallel zur deutschen Untat gegenüber der Tschechei erobert Ungarn die Karpato-Ukraine. Zeitgleich marschiert Polen gegen Litauen auf und droht mit Krieg, um die nachträgliche Anerkennung der polnischen Eroberung Wilnas aus dem Jahre 1921 zu erzwingen. Beides rührt die Briten nicht.
Dann verhandelt England mit den Sowjets wegen eines Bündnisses zur Kriegsbeteiligung gegen Deutschland und gesteht den Russen dabei das Interventionsrecht bei den drei kleinen Baltenstaaten zu. Die Freiheit kleiner Völker liegt den Briten also auch nicht so am Herzen. Der Hinweis, daß die Balten schließlich zwei Jahrhunderte Teil des Zarenreichs gewesen sind, wirkt vor den tausend Jahren blaß, die die Tschechei ein Teil des Deutschen Reichs gewesen ist. Dazu kommt, daß England sich bei dem Versuch, ein Bündnis mit den Sowjets einzugehen, einen totalitären Partner ausgesucht hat, der mit der Verfolgung der Nichtkommunisten, mit der Enteignung und Vertreibung seiner Bauern und den „Säuberungen" in Partei und Militär schon Millionen toter Russen auf dem Konto hat. Wenn England um die Durchsetzung der Menschenrechte in anderen Ländern hätte kämpfen wollen, hätte es dazu sicher nicht die Hilfe des totalitären Moskauer Regimes bemüht. Der Schachzug mit den Polen geht alleine gegen Deutschland, und es geht nicht um edle Motive.
Der letzte und ganz direkte Beitrag Englands zum Ausbruch dieses Krieges ist das Doppelspiel, das die britische Regierung am Ende mit der deutschen Reichs
Formulierung aus Art 1 des Brit.-Poln.-Beistandspakts vom 25. März 1939
regierung treibt. In der letzten Woche vor Beginn des Krieges vermitteln der britische Premierminister Chamberlain und sein Außenminister Halifax Adolf Hitler den Eindruck, daß sie Interesse an einem britisch-deutschen Bündnis hätten, was sie in Wirklichkeit nicht haben, und daß sie den fairen Makler zwischen Polen und Deutschland spielen wollten. Zur gleichen Zeit läßt Minister Halifax Botschafter Kennard in Warschau dem Sinn nach übermitteln, man verlange von den Polen nur Gespräche, aber kein Entgegenkommen. Auch bei der Weitergabe von Verhandlungsort und Datum lassen die Briten die Deutschen zunächst im falschen Glauben, sie hätten die deutschen Konditionen den Polen anempfohlen. In Warschau raten sie indessen nicht dazu, darauf einzugehen. In Berlin teilen sie das erst mit, als die Wartefrist verstrichen ist. Das Ganze ist ein Doppelspiel der britischen Regierung. Auf der einen Seite versetzt sie Hitler in den Glauben, auch sie wäre an einem deutsch-britischen Bündnis interessiert, und sie könnte bei den Polen fair vermitteln. Die englische Regierung baut so den Schein auf, sie kämpfe für den Frieden. Auf der anderen Seite schafft sie das Szenario, auf dem aus dem deutsch-polnischen Streit der nächste Krieg entbrennt. Sie nimmt der polnischen Regierung mit ihren Garantien zunächst jeden Anreiz zum Verhandeln. Dann macht sie ihr klar, daß sie der deutschen nicht entgegenkommen muß, und zum Schluß behandelt sie die Vermittlung so verzögernd, daß der von Hitler geforderte Beginn der deutsch-polnischen Gespräche platzt. Auch wenn die Briten ihr Verhalten von 1939 damit rechtfertigen, daß sie Verhandlungen unter dem Druck der deutschen Reichsregierung, wie es ihn vorher im Falle der Tschechei gegeben hatte, unterbinden wollten, so bleibt doch als Ergebnis, daß sie dabei auch eine deutsch-polnische Verständigung zuerst im Ansatz und später in der Krise hintertrieben haben.
Die Briten wissen, daß Hitler 1939 vor der Wahl zwischen Verzicht, Verhandlungslösung oder Krieg steht. Sie wissen auch, daß er angesichts seiner Verantwortung für die „abgetrennten" Deutschen, angesichts der immer prekärer werdenden Lage der deutschen Minderheit in Polen und in Anbetracht der drängenden Forderung der Danziger nach Anschluß an ihr Heimatland so gut wie nicht verzichten kann. Das Deutsche Reich steht in dieser Hinsicht unter dem gleichen moralischen
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