Der Krieg, der viele Vaeter gatte
angesehen, so wie sie selber gern gesehen werden möchten.
Gleich mit dem „Friedensschluß" von 1919 leistet England seinen ersten verhängnisvollen Beitrag dazu, daß dem Frieden bald der nächste Krieg folgt. Die britische Regierung im Verein mit den anderen alliierten Siegermächten konstruiert eine neue Variante ihrer balance of power für Europa, die auf einem auf Dauer angelegten Konflikt zwischen Deutschland, der Tschechoslowakei und Polen aufbaut. Die in Versailles vorgenommene Eingliederung des Siedlungsraumes von fast fünf Millionen Deutschen in die neugeschaffenen Staaten der Polen und der Tschechen und Slowaken und die Danzig-Pomerellen-Konstruktion sind dazu angelegt, die Deutschen, die Tschechen und die Polen „miteinander zu beschäftigen" und sie im Streit zu halten. Besonders Danzig als Kind von drei geschiedenen Elternteilen, Deutschland, Polen und dem Völkerbund mußte irgendwann zu Konflikten und Veränderungen führen. Neue Kriege sind damit seit Versailles abzusehen. Man hat das in England auch erkannt. Die britischen Regierungen seit 1920 haben diese Kriegsgefahr als Begleiterscheinung ihrer balance of power billigend in Kauf genommen, wenn nicht sogar bewußt erhalten.
Es folgt die Nachkriegszeit, in der Englands Außenpolitik von Landgewinnung auf Bestandserhaltung einschwenkt. Die Sicherung von Eroberungsgewinnen ist nur möglich, wenn die Status-quo-Erhaltung von nun an völkerrechtlich Anerkennung findet und Eroberungen, wie die britischen der letzten zwanzig Jahre im Sudan, in Oranje und Transvaal 4 , in Zukunft international geächtet werden. Folglich tritt England fortan für den Frieden in der Welt ein, auch wenn es in den 20er Jahren selbst noch da und dort in China, Rußland und Ägypten weiter militärisch eingreift.
Mit seiner Politik des Status-quo versäumt es England allerdings, die in Versailles und Saint-Germain geschaffenen Störfaktoren selber aus der Welt zu schaf
Kulturfahrplan, Seite 1036 Oranje und Transvaal sind heute Landesteile der Republik Südafrika.
fen. So lassen die Briten die Memel-Frage schleifen, das Danzig-Korridor-Problem bestehen und die Rüstungsfragen ungelöst. Sie ignorieren die Minderheiten-Nöte in Polen, in Frankreich und in der Tschechoslowakei. Sie nehmen Österreichs Anschlußwillen nicht zur Kenntnis, und sie tolerieren Frankreichs Anspruch, daß Deutschlands Grenze dorthin auf Dauer ungeschützt bleibt. Als Deutschland unter Hitler ab 1936 anfangt, die aufgezählten Fragen eine nach der anderen selbst zu lösen, gerät Europa jedes Mal fast an den Rand des Krieges, und England verliert Stück um Stück an Selbstachtung und Gesicht. Schon 1933 beginnt man in England, Deutschland als Aggressor und Friedensstörer zu bezeichnen. Das stimmt bis 1936 nur in soweit, als das Deutsche Reich diese Art von britischer Status-quo-Vorstellung stört. Deutschland fordert zu der Zeit nichts von England oder Frankreich. Der britische Friede des Gewinnerhaltens wird zunächst nicht angetastet. Englands Beitrag zur permanenten Kriegsgefahr ab 1936 besteht darin, daß es die von ihm mitgeschaffenen Störfaktoren von Versailles nicht beseitigt, solange dies in Frieden möglich wäre.
Englands nächster Beitrag ist sein Flottenrüsten. Statt wie vertraglich festgelegt, die Streitkräfte inklusive Flotte auf das „Minimum, das mit der nationalen Sicherheit vereinbar ist" zurückzuführen, beteiligt sich das Königreich am Rüstungswettlauf zwischen USA und Japan. Das wiederum strahlt auf die Landund Luftstreitkräfte anderer Staaten ab. Insgesamt betrachtet gibt Großbritannien im Verein mit Deutschlands Nachbarländern dem bis 1936 ungeschützten Deutschen Reich den Rüstungspegel vor, bis zu dem die Reichswehr nachgerüstet werden muß, um Deutschland notfalls verteidigen zu können. Der Pegel der anderen Staaten steht allerdings so hoch, daß Deutschland damit gegenüber einzelnen Nachbarländern selber angriffsfähig wird.
In der Sudetenkrise bemüht sich England erstmals ernsthaft, ein Stück von den Versailler Schäden selber abzutragen. Hitler, der offensichtlich mehr will, als nur die Sudetendeutschen heimzuholen, dankt England diese Hilfe auf der Konferenz von München nicht. Der Diktator hegt, wie sich später zeigt, die Absicht, die ganze Tschechei dem Deutschen Reiche anzugliedern. Doch schon ehe Hitler 1939 sein Verbrechen an der Rest-Tschechei begeht, beginnt England, sich mit voller Kraft auf einen Krieg mit Deutschland einzustellen.
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