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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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spielt weiter seine Doppelrolle als Teil des Deutschen Bundes und als Vielvölkerstaat im Donauraum.

    Es folgen 17 Jahre, in denen sich die politischen Gewichte im Deutschen Bund verschieben. Preußen beginnt, die deutschen Länder durch Diplomatie und Kriege zu vereinen. Habsburg verliert derweil an Kraft und Einfluß, unter anderem durch einen 1859 verlorenen Krieg mit Frankreich. 1866 kommt es im Streit um die Verwaltung Schleswig-Holsteins zum deutschen Bruderkrieg, in dem der Kaiser von Österreich als Vorsitzender des Deutschen Bundes ein letztes Mal die Reichsgewalt vertritt. Er ruft das deutsche Bundesheer gegen die Preußen zu den Waffen. Der Kaiser fuhrt in diesem Krieg noch einmal die Mehrheit aller deutschen Bundesstaaten an, die Königreiche Hannover, Sachsen, Württemberg und Bayern nebst einer Reihe weiterer kleinerer Fürstentümer. Auf der Seite Preußens stehen lediglich das Fürstentum Lippe und das Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha, doch in der Schlacht von Königgrätz in Böhmen wird die österreichische Armee vernichtend von der preußischen geschlagen. Damit ist Habsburgs Vorherrschaft im Deutschen Reich beendet. Das Ziel der preußischen Politik in diesem Kriege ist, Österreich aus dem Deutschen Bund zu drängen, um ohne den Vielvölkerstaat von Wien den Rest der deutschen Länder zu einem neuen Deutschen Reich zu einen. So verzichtet Preußen nach dem Sieg von Königgrätz darauf, Habsburg-Österreich zu zerschlagen, aber es löst den Deutschen Bund auf und setzt die Deutsch-Österreicher mit ihren 16 nicht deutschen Völkern vor die deutsche Tür. Damit wird das deutsch-deutsche Band zwischen DeutschÖsterreich und den anderen deutschen Ländern nach 955jähriger Gemeinsamkeit durchtrennt.

    In den folgenden 48 Jahren vereinigen sich die anderen deutschen Länder unter Preußens Führung zum zweiten deutschen Kaiserreich und entwickeln ein neues deutsch-preußisches Bewußtsein. Das zweite deutsche Kaiserreich und das österreichische Kaiserreich gehen nun für weniger als ein halbes Jahrhundert ihre eigenen Wege, ehe sie im Ersten Weltkrieg als Bundesgenossen wieder zueinan-derfinden. Diese 48 Jahre Trennung haben einen tiefen Einfluß auf das Ge-schichts- und Selbstbewußtsein im kaiserlichen Deutschland. Die habsburger Wurzeln der eigenen Nation geraten in Preußen-Deutschland ins Vergessen. Diese Zeit der deutschen Trennung hat in dieser Hinsicht Ähnlichkeit mit der deutschen Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die realen politischen Verhältnisse prägen das Bewußtsein und überlagern das Empfinden, zueinander zu gehören. Und wie 1990 beim Niedergang der DDR, so ist es 1918 die Niederlage beiderdeutschen Kaiserreiche, die die Deutschen wieder zueinander bringt. Habsburgs Großreich wird zerschlagen. 41 Millionen ehemalige habsburger Untertanen nicht deutscher Muttersprache gründen ihre eigenen Staaten oder gehen gezwungenermaßen in andere Staaten auf. Und 7 Millionen Deutsch-Österreicher verbleiben mit dem territorialen Rest, den die Siegermächte auf der Konferenz von Saint-Germain von Alt-Habsburg übriglassen, in der neuen Republik Österreich.

    Karte 7: Österreich nach 1919

    Die deutsch-österreichische Wiederannäherung

    Die 54 Jahre der deutsch-deutschen Trennung seit 1866 haben das Empfinden, zum selben Volke zu gehören, in Deutschland und in Österreich genausowenig sterben lassen, wie die 45 Jahre deutscher Teilung bei den Deutschen in Westund Mitteldeutschland nach 1945.

    1919 übernehmen sozialdemokratische Regierungen in den neuen Republiken Deutschland und Österreich die Geschicke ihrer Teilnationen. In Österreich fassen die mit der Ausarbeitung einer neuen Staatsverfassung beauftragten Parlamentarier bei ihrer ersten Arbeitssitzung am 12. November 1918 einstimmig den Beschluß:
    „Deutsch-Österreich ist eine demokratische Republik. Alle öffentlichen
    Gewalten werden vom Volke eingesetzt. Deutsch-Österreich ist ein Be
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    standteil der deutschen Republik."
    Gut eine Woche später, am 21. November erhebt die österreichische Nationalversammlung außerdem den Anspruch, alle Deutschen aus dem alten Habsburg zu vertreten:
    „Der deutsch-österreichische Staat beansprucht Gebietsgewalt über das
    ganze deutsche Siedlungsgebiet, insbesondere auch in den Sudetenlän

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    dem."
    Im neuen Deutschen Reich hegt die Politik die gleichen Wünsche. Am 6. Februar
    1919 schließt der Abgeordnete Scheidemann (SPD) seine Eröffnungsrede zur konstituierenden Sitzung der

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