Der Krieg, der viele Vaeter gatte
Österreich und Deutschland von 1918 und 1919 gewesen ist, und was die Menschen in beiden Teilen Großdeutschlands nun in einer Volksabstimmung eindrucksvoll bestätigt haben: die Wiedervereinigung der Deutschen.
Stresa, Abessinien und die Achse Rom-Berlin
Was hat die Oase Wal-Wal mit der Hauptstadt Wien zu tun?
Beide sind Schauplätze im gleichen Bühnenstück, das im vorausgegangenen Kapitel nur mit seinen österreichischen und deutschen Akteuren beschrieben worden ist. Doch im gleichen Stück spielen auch die Briten, die Franzosen, die Abessinier und die Italiener große Rollen.
1915, als England, Frankreich und Rußland versuchen, Italien aus seinem Bund mit Österreich und Deutschland zum Seitenwechsel zu bewegen, bieten sie den Italienern für ihre Waffenhilfe Südtirol, Istrien, Dalmatien, Westalbanien, das Protektorat über Zentralalbanien, die Inseln des Dodekanes und eine Vergrößerung des italienischen Kolonialreichs für den Fall an, daß die deutschen Kolonien nach dem Krieg an England oder Frankreich fallen sollten. Dieser umfangreiche Kriegsgewinn wird Italien im Vertrag von London am 26. April 1915 schriftlich zugesichert. 49
Nach dem Kriege teilen sich London und Paris in Afrika die deutschen Kolonien, und Rom geht, was die versprochene Erweiterung seines Kolonialbesitzes angeht, so gut wie leer aus. Auch Südalbanien kommt nicht, wie 1915 zugesagt, zum Königreich Italien. Die Italiener fühlen sich deshalb nach dem Ersten Weltkrieg genauso um die im Londoner Vertrag zugesagten Kolonien betrogen, wie zur gleichen Zeit die Deutschen um die Friedensbedingungen der 14 WilsonPunkte. So befindet sich Italien nach dem Kriege in einer nicht gerade angenehmen Lage. Es kann nicht sicher sein, daß sich Österreich und Deutschland auf Dauer an die Verträge von Saint-Germain und von Versailles halten und auf ewig auf das deutsche Südtirol verzichten. Schließlich hat Italien 1915 selber einen Vertrag mit Deutschland und mit Österreich dem Geiste nach nicht eingehalten, als es den Dreibund verließ und zu den Gegnern Deutschlands überlief. Andererseits kann sich Italien fortan auch auf die Briten und Franzosen nicht verlassen, weil diese gerade erst den Londoner Vertrag gebrochen haben. So ist Italien gezwungen, sich in den Nachkriegsjahren ständig zwischen den Interessen der Briten, der Franzosen, der Österreicher und der Deutschen hindurchzuwinden.
Wilson-Dokumente, Band 1, Seite 52
Italien drücken in der Nachkriegszeit zwei Sorgen. Die erste ist das schon erwähnte Südtirolproblem mit einer einheimischen deutschsprachigen Bevölkerung, die nicht italienisch werden will. Die Italiener sehen die deutsch-österreichischen Bemühungen zu einer Vereinigung der beiden Länder, und sie furchten, daß ein vereinigtes und wieder starkes Deutsch-Österreich eines guten Tages Südtirol zurückerobern könnte. So sind die italienischen Nachkriegsregierungen die schärfsten Gegner eines Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich.
Die zweite Sorge betrifft das enorme Wachstum der eigenen Bevölkerung. Schon in den Vorkriegsjahren wandern jährlich fünf- bis siebenhunderttausend Italiener aus, weil das Land die wachsende Bevölkerung nicht trägt. Italien braucht kolonialen Raum, um der Bevölkerungsexplosion im eigenen Lande Herr zu werden. In der Konferenz von London 1915 hatte Italien bei seiner Forderung nach einer weiteren Kolonie an das letzte Land in Afrika gedacht, das noch frei und souverän ist, an Abessinien. Das Land hätte Siedlungsraum geboten und interessante Bodenschätze. Abessinien hätte außerdem die zwei afrikanischen Kolonien Italiens Somalia und Eritrea in Ostafrika als neues Mittelstück verbunden.
So ist die Ausgangslage Italiens nach dem Ersten Weltkrieg. Es will Südtirol behalten und Abessinien gewinnen.
England, das vor dem Weltkrieg selber noch in Afrika Kolonialbesitz erobert hatte, das Italien 1915 Kolonialerwerb verspricht und das 1919 mehr als die Hälfte aller deutschen Kolonien annektiert, wechselt mit dem Erwerb der deutschen Afrikagebiete seine Haltung. Großbritannien verlegt sich fortan auf die Sicherung der Beute, nennt das die „Bewahrung des Status quo" und vertritt seinen neuen Standpunkt auf allen internationalen Konferenzen ab 1920 als die „Sicherung des Friedens". Der Ausdruck „Sicherung der Beute" wäre ehrlicher gewesen.
Frankreichs größte Sorge nach dem Weltkrieg ist das besiegte doch weiterhin intakte Deutsche Reich. So versuchen
Weitere Kostenlose Bücher