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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Sudetendeutschen, die inzwischen den Anschluß an Deutschland wollen und kein Interesse mehr an den Zugeständnissen der Tschechen zeigen. Das ist für Runciman der Zeitpunkt, seine Reise abzubrechen. Er sieht, daß es keine Hoffnung mehr auf eine Verständigung zwischen Tschechen und Sudetendeutschen gibt. Runcimans Bericht vom 21. September 1938 fällt vernichtend für die Tschechen aus. Er gibt Henlein zwar die Alleinschuld für den letzten Abbruch der Gespräche. Doch er schreibt auch:
    „... Mein Eindruck ist, daß die tschechische Verwaltung im Sudetengebiet,
    wenn sie auch in den letzten 20 Jahren nicht aktiv unterdrückend und ge
    wiß nicht „ terroristisch " war, dennoch einen solchen Mangel an Takt und
    Verständnis und so viel kleinliche Intoleranz und Diskriminierung an den
    Tag legte, daß sich die Unzufriedenheit der deutschen Bevölkerung unver
    meidlich zu einem Aufstand fortentwickeln mußte. ... Die Sudetendeutschen
    merkten auch, daß Ihnen in der Vergangenheit viele Versprechen durch
    die tschechoslowakische Regierung gemacht worden sind, aber daß nur
    101
    wenig oder gar nichts auf diese Versprechungen gefolgt ist."

    Er führt fort, man habe tschechische Beamte und Polizisten ohne Deutschkenntnisse in rein deutschen Bezirken eingesetzt, Tschechen in deutschen Gebieten angesiedelt, tschechische Firmen bei der Vergabe von Staatsaufträgen bevorzugt, soziale Hilfen auf die Tschechen konzentriert und so weiter und so fort.
    „ Sogar, " so beklagt Runciman, „jetzt noch, zur Zeit meiner Mission, ha
    be ich bei der tschechischen Regierung keinerlei Bereitwilligkeit gefun
    den, diesem Sachverhalt in erschöpfendem Maße abzuhelfen."
    Runciman schließt mit der Empfehlung, die Grenzbezirke mit überwiegend deutscher Bevölkerung unverzüglich von der Tschechoslowakei zu trennen und an Deutschland anzugliedern. Für weitere Gebiete, in denen die Sudeten nicht die große Mehrheit bilden, schlägt er Volksabstimmungen vor und einen autonomen Status innerhalb der verbleibenden Tschechoslowakei. 102

    Neben der Sudetenfrage erschüttern die Differenzen zwischen Tschechen und Slowaken die nach beiden Völkern benannte Tschechoslowakei. Die Slowaken erinnern an den Vertrag von Pittsburgh aus dem Jahre 1918, in dem Vertreter beider Völker einen gemeinsamen Staat mit gleichberechtigten Nationen vereinbart

    100
    Henderson, Seite 143
    101
    Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume II, Appendix II, Document IV 102
    Ebda. Und François-Poncet, Seite 370
    hatten. Die Tschechen haben diesen „Ehevertrag" mit den Slowaken niemals eingehalten, und nun folgt die späte Quittung. Am 5. Juni 1938 treffen sich Vertreter der Slowaken zu einem Kongreß in Preßburg und verlangen die Gleichberechtigung mit den Tschechen und Autonomie für die Slowaken. Ministerpräsident Hodscha, selbst Slowake, fürchtet die Konsequenzen dieser Forderung und spricht den Delegierten von Preßburg das Mandat für die Slowaken ab. So zerbricht auch ohne deutsches Zutun die letzte Brücke, über die die zwei Titularnationen, die Tschechen und Slowaken, zueinander hätten finden können.

    Noch während Lord Runciman in Prag versucht, zwischen Tschechen und Sudetendeutschen zu vermitteln, findet vom 5. bis zum 12. September 1938 in Nürnberg ein NSDAP-Parteitag statt. Hitlers Grundsatzrede zum Abschluß der Veranstaltung ist zwar harsch im Ton, doch Hitler verlangt dabei noch immer nur das Selbstbestimmungsrecht der deutschen Bevölkerungsgruppe innerhalb der Tschechoslowakei. Er fordert keinen Anschluß an das Reich, er drängt auf keine Volksabstimmung, er stellt kein Ultimatum. Die Kernsätze dieser Rede zum Problem des Nachbarlandes lauten:
    „... Was die Deutschen fordern, ist das Selbstbestimmungsrecht, das jedes
    andere Volk auch besitzt. ... Ich stelle die Forderung, daß die Unter
    drückung der dreieinhalb Millionen Deutschen in der Tschechoslowakei
    aufhört und an deren Stelle das freie Recht der Selbstbestimmung tritt. ...
    Im übrigen ist es Sache der tschechoslowakischen Regierung, sich mit
    den berufenen Vertretern der Sudetendeutschen auseinanderzusetzen
    103
    und eine Verständigung so oder so herbeizuführen."
    Doch läßt es Hitler auch nicht an einer Warnung fehlen. Er sagt an späterer Stelle:
    „Die Deutschen in der Tschechoslowakei sind weder wehrlos noch sind
    sie verlassen. Das möge man zur Kenntnis nehmen."
    Für das Ausland läßt auch diese Rede den Weg des Friedens offen, und selbst im Inland

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