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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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deutschen Siedlungsgebietes,
    4. den Aufbau einer deutschen Selbstverwaltung im deutschen Siedlungsgebiet, soweit es sich um die Angelegenheiten der deutschen Volksgruppe handelt,
    5. gesetzliche Schutzbestimmungen für die Sudetendeutschen, die außerhalb der geschlossenen deutschen Siedlungsgebiete wohnen,
    6. Wiedergutmachung der Schäden, die der deutschen Volksgruppe seit 1918 durch Unrecht zugefügt worden sind,
    7. deutsche öffentliche Angestellte in den deutschen Gebieten und
    8. die volle Freiheit des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum und zur deutschen Weltanschauung. 92

    Henlein verlangt damit noch keinen Anschluß der Sudetenlande an das deutsche Reichsgebiet. Was er fordert, bleibt im Rahmen der 14 Wilson-Punkte, im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts der Völker und im Rahmen des tschechischslowakischen „Pittsburgh-Abkommens" von 1918, in dem den Völkern innerhalb der Tschechoslowakei Autonomie nach dem Schweizer Kanton-Modell zugesichert worden ist. Doch im Hintergrund und ohne Henleins Wissen wartet Adolf Hitler darauf, daß sich ihm die Tschechen irgendwann durch eigene Fehler selbst ans Messer liefern.

    Die tschechoslowakische Eskalation

    Das Karlsbader Programm hat eine ungeheure Wirkung. Kaum, daß es bekannt geworden ist, verlangen die Vertreter der Slowaken, der Polen und der Ungarn im Prager Parlament die gleiche Autonomie für sich. In den folgenden zwei Wochen bedrängen die Regierungen in London und Paris die Regierung der Tschechoslowakei wiederholte Male, mit den Sudetendeutschen zu verhandeln und eine schnelle und friedliche Lösung der Nationalitätenprobleme zu finden. Ministerpräsident Hodscha lenkt ein und legt der englischen Regierung den Entwurf einer Bundesverfassung vor, um damit zu retten, was zu retten ist. Doch Henlein traut der tschechoslowakischen Regierung kein ehrliches Bemühen zu und lehnt Gespräche über Hodschas Verfassungsentwurf ab. Statt dessen reist er nach London, um dort ein Bild von der Lage der Sudetendeutschen unter der Herrschaft der Tschechen zu vermitteln.

    Dieses Bild sieht zu der Zeit wahrlich düster aus. Vom 1. bis 31. Mai 1938 werden in der Tschechoslowakei bei Übergriffen 3 Sudetendeutsche getötet und 130 verletzt, viele davon schwer. Des weiteren sind 40 Überfälle mit Mißhandlungen von sudetendeutschen Bürger bekannt geworden. 93

    ODSUN-Dokumente, Seite 719 Bernhardt, Seite 210
    Am 20. Mai 1938 stellt Hitler weitere Überlegungen zu einer militärischen Operation gegen die Tschechoslowakei an. Er entwirft eine neue Weisung für den „Fall Grün". Noch sind seine „Konditionen" so, daß er es den Tschechen überläßt, sich ihr Grab selbst auszuheben. Die Weisung beginnt mit der Erklärung:
    „Es liegt nicht in meiner Absicht, die Tschechoslowakei ohne Herausfor
    derung schon in nächster Zeit durch eine militärische Aktion zu zerschla
    gen, es sei denn, daß eine unabwendbare Entwicklung der politischen
    94 Verhältnisse innerhalb der Tschechoslowakei dazu zwingt."
    Hitler kann an diesem Tag nicht wissen, daß Dr. Beneš zu genau der gleichen Zeit bereits dabei ist, ihm einen Anlaß für den nächsten deutschen Schritt zu liefern.

    Präsident Beneš macht am 20. Mai die Armee der Tschechoslowakei mobil, beruft 180.000 Reservisten zu den Waffen und behauptet zur Begründung, Deutschland habe seinerseits zuvor mobilgemacht. Das tschechische Kriegsministerium ergänzt, die deutsche Wehrmacht sei bereits mit 8 bis 10 Division auf dem Marsch zur Tschechoslowakei 95 . Doch beide Nachrichten sind falsch 96 . Beneš hat versucht, die Briten, Russen und Franzosen durch diesen Schachzug für sich und gegen die Sudetendeutschen einzunehmen.

    Am Tag darauf berichten die Zeitungen in Europa und den USA, das „klare Nein" der Tschechen habe Hitler gezwungen, von der Eroberung der Tschechoslowakei abzulassen. Hitler habe „klein beigegeben" und seine Erklärungen zur Sudetenfrage seinen „nichts als Wind" 97 . Der britische Botschafter in Berlin Henderson kommentiert diesen Vorgang zwei Jahre später in seinen Erinnerungen so:
    „Es war vor allem das Jubilieren der Presse, das Hitler die Entschuldi
    gung für seinen schlechtesten Einfall dieses Jahres gab, und das ihn end
    gültig über die Grenze zwischen friedlichen Verhandlungen zur Anwen
    dung von Gewalt trieb ... Die Deutschen hatten nie mobilgemacht noch
    ... hatten sie zu der Zeit in Wirklichkeit die geringste Absicht, einen
    Handstreich gegen die Tschechoslowakei zu unternehmen.

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