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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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französische sich allen Vorschlägen Chamberlains an Hitler anschließen werde 110
    . Am 16. September gibt Chamberlain, kaum zurück in London, seinem Kabinett einen Bericht der Reise. Es läßt dabei keinen Zweifel offen, daß Deutschland auf dem Sprung ist, in der Tschechoslowakei mit Truppen einzugreifen, wenn die Probleme der Sudetendeutschen nicht schnellstmöglich auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Völker eine Lösung finden. Auch Lord Runciman, aus Prag zurückberufen, berichtet vor dem Kabinett in gleicher Sitzung. Er hält die tschechische Regierung für die jetzt entstandene und völlig festgefahrene Lage in der Tschechoslowakei für voll verantwortlich.

    109
    Henderson, Seite 151
    110
    Benoist-Méchin, Band 6, Seite 265

    Runciman schließt seinen Vortrag mit der Empfehlung, die Sudetengebiete ohne große Diskussion in kürzester Zeit an Deutschland anzuschließen.

    Präsident Beneš, davon unterrichtet, versucht nun in aller Eile, die französische Regierung für eine minimale Lösung zu gewinnen. Am 17. September schickt er Ministerpräsident Daladier ein Schreiben mit angefügter Karte, in dem er die Abtretung von drei sudetischen Gebieten mit etwa 800.000 Deutschen vorschlägt. 2,3 Millionen Sudetendeutsche wären danach bei der Tschechoslowakei verblieben. Der Beneš-Brief enthält den handgeschriebenen Nachsatz:
    „Ich bitte Sie inständig, diesen Vorschlag nicht bekanntzugeben, denn
    ich müßte ihn dementieren." 111
    Mit diesem allerdings zu späten Zugeständnis und dem handgeschriebenen Zusatz glauben die französische und die englische Regierung, daß Präsident Beneš von nun an Gebietsabtretungen nicht mehr prinzipiell ablehnt, und sie wissen, daß er die Verantwortung dafür nicht selber tragen, sondern den Franzosen überlassen möchte.

    Aufschlussreich ist das Gespräch, das Beneš mit dem französischen Botschafter Lacroix führt, als er ihm den besagten Brief an Präsident Daladier übergibt. Beneš unterrichtet den Franzosen nicht nur vom Inhalt seines Briefes, zum Beispiel seinem Vorschlag, gewisse Landesteile und „8-900.000 Deutsche abzutreten", sondern er offenbart ihm auch, daß seine Gedanken weitergehen, als es der Brief an Daladier erkennen läßt. Er ergänzt zu dem im Brief gemachten Vorschlag:
    „Andererseits – vorausgesetzt der Abtretung der Gebiete werde zuge
    stimmt – muß die Regierung des (Deutschen) Reichs akzeptierten, auf
    ihrem eigenen Gebiet ungefähr eine Million Sudetendeutsche aufzuneh
    112 men, die aus tschechoslowakischem Gebiet gekommen sind."
    Zusätzlich zu diesem Brief, den Lacroix zu überbringen hat, schickt Beneš den tschechischen Minister Nečas nach London und Paris, um dort einflussreiche Politiker von seinem Angebot zu überzeugen. Nečas' Auftrag ist es, den Briten und Franzosen als Bedingung für Gebietsabtretungen zu übermitteln, daß das Deutsche Reich „wenigstens 1,5 bis 2 Millionen deutsche Bevölkerung zu übernehmen" habe. 113
    Auch die Weisung an Minister Nečas enthält den Nachsatz „Nicht sagen, daß das von mir kommt". Hier taucht die Idee, die der späteren Vertreibung der Sudetendeutschen zugrunde liegt, ein erstes Mal bei Beneš auf. Am 18. September treffen sich Daladier und sein Außenminister Bonnet in London mit Chamberlain und Halifax. Briten und Franzosen suchen nun gemeinsam nach einer Lösung, die weder Frankreichs Vertragsverpflichtungen gegenüber der Tschechoslowakei verletzt noch zu einem Krieg wegen des bisher vorenthaltenen Selbstbestimmungsrechts der Sudetendeutschen führt. Als Ergebnis dieser

    111
    Benoist-Méchin, Band 6, Seite 267
    112
    Telegramm von Lacroix an Außenminister Bonnet vom 17. September l938, Siehe ODSUN Dokumente, Seiten 766f
    113
    ODSUN Dokumente, Seite 762
    Konferenz schicken beide Regierungen, die britische und die französische, am
    19. September getrennt die gleichlautende Aufforderung nach Prag, selbst und auf eigenen Entschluß mit oder ohne Volksabstimmung die Gebiete mit mehr als 50% sudetendeutscher Bevölkerung an das Deutsche Reich zu übergeben und die neue Grenzziehung einer internationalen Kommission zu übertragen. Als Anreiz wird den Tschechen die Bereitschaft Englands mitgeteilt, die neuen Grenzen ihres Staates nach Abtretung der Sudetenlande mit zu garantieren. Das ist ein Versprechen, dem sich England später mit Geschick entzieht. Dies halbe Garantie-Versprechen vom 19. September 1938 wird an späterer Stelle dieses Buches, an der es um die

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