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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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ihrer Grube heraus? Oder doch?"
    Mein Bruder konnte ihm keine Auskunft geben.
    Später bemerkte er, daß ein unbestimmtes Gefühl der Furcht sich auch der Benutzer der Untergrundbahn bemächtigt hatte und daß die Sonntagsausflügler aus den südwestlichen Sommerfrische - Barnes, Wimbledon, Richmond Park, Kew und so weiter - ungewöhnlich früh zurückzukehren begannen. Aber nicht einer von ihnen wußte außer leeren Gerüchten etwas Nennenswertes zu erzählen. Jeder, der im Bahnhof zu tun hatte, schien schlechter Laune zu sein. Um fünf Uhr etwa geriet der anschwellende Menschenhaufe am Bahnhof in ungeheure Aufregung, weil die fast beständig geschlossene Verbindungslinie zwischen den südöstlichen und südwestlichen Haltestellen geöffnet wurde. Die Aufregung wuchs beim Anblick einfahren der Güterwagen, die mit riesigen Geschützen beladen, und Wagenabteilen, die von Soldaten dicht besetzt waren. Es waren die Geschütze, die von Woolich und Chatham heraufgebracht worden waren, um Kingston zu decken.
    Sofort begann ein Austausch von Scherzworten: "Ihr werdet gefressen werden!" - "Wir sind die Tierbändiger!"" und dergleichen. Kurz darauf kam ein Zug Wachleute, welche die Bahnsteige freimachten. Auch mein Bruder begab sich wieder auf die Straße.
    Die Kirchenglocken läuteten zum Abendsegen, und eine Abteilung von Mädchen der Heilsarmee kam singend die Waterloo Street herab. Bei der Brücke beobachteten ein paar Müßiggänger einen sonderbaren braunen Schaum, der in großen Flocken den Strom herabtrieb. Die Sonne versank eben, und der Clock Tower und die Houses of Parliament erhoben sich gegen einen Abendhimmel, den man sich kaum friedlicher vorstellen konnte, einen goldenen Himmel, unterbrochen von langen Querstreifen purpurroter Wolken. Es ging die Rede von einem schwimmenden Leichnam. Einer der Männer, ein Reservist, wie er sagte, erzählte meinem Bruder, er habe im Westen den Heliographen aufblitzen gesehen.
    In der Wellington Street begegnete mein Bruder einem Paar stämmiger Bengel, die eben mit noch feuchten Zeitungsblättern und auffallenden Plakaten aus der Fleet Street stürmten. "Furchtbare Katastrophe!" brüllten sie einer den andern überschreiend. "Kämpfe in Weybridge! Ausführliche Beschreibung! Flucht der Marsleute! London in Gefahr!" Mein Bruder mußte ihnen drei Pence für eine Nummer des Blattei geben.
    Jetzt, und erst jetzt machte er sich einen Begriff von der vollen Gewalt und der Furchtbarkeit jener Ungeheuer. Er erfuhr, daß sie nicht bloß eine Handvoll kleiner, plumper Geschöpfe waren, sondern Wesen, die riesige mechanische Körper lenkten, die sich blitzschnell bewegen und mit solcher Kraft ihre Opfer treffen konnten, daß selbst die mächtigsten Geschütze ihnen nicht standzuhalten vermochten.
    Sie wurden geschildert als "ungeheure spinnenartige Maschinen, fast hundert Fuß hoch, fähig, sich mit der Schnelligkeit von Eilzügen vorwärtszubewegen, und imstande, Strahlen von unermeßlicher Hitze abzufeuern". Verborgene Batterien, hauptsächlich aus Feldgeschützen bestehend, seien in der Umgebung der Horsell-Weide aufgepflanzt worden, besonders zwischen dem Wokinger Bezirk und London. Man habe fünf Maschinen gesehen, wie sie sich der Themse näherten, und eine sei durch eine Laune des Zufalls zerstört worden. In allen andern Fällen seien die Geschosse fehlgegangen und die Batterien von den Hitzestrahlen sofort vernichtet worden.
    Schwere Verluste von Soldaten wurden gemeldet, aber der Ton des Berichtes war hoffnungsvoll. Die Marsleute seien zurückgeschlagen worden; sie seien nicht unverwundbar. Sie hätten sich wieder in ihr Zylinderdreieck im Kreise von Woking zurückgezogen. Leute mit Heliographen näherten sich ihnen unausgesetzt von allen Seiten. Mit größter Schnelligkeit würden von Windsor, Portsmouth, Aldershot, Woolwich, selbst aus dem Norden Geschütze an Ort und Stelle geschafft; unter anderem lange gezogene Geschütze von fünfundneunzig Tonnen aus Woolwich.
    Alles in allem würden hundertundsechzehn aufgestellt oder hastig vorbereitet werden, hauptsächlich zum Schutze Londons. Niemals vorher habe in England ein so ungeheures oder schleuniges Aufgebot von kriegerischer Macht stattgefunden. Jeder in Zukunft niederfallende Zylinder würde, so hoffte man, durch starke Sprenggeschosse sofort zerstört werden, die schleunigst hergestellt und verteilt werden sollten. Ohne Zweifel, fuhr der Bericht fort, könne die Lage nicht sonderbarer und ernster sein, aber die

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