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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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Erzählung wieder aufnehmen. Wir blieben während der ganzen Nacht des Sonntags und den ganzen nächsten Tag - dem Tage der Londoner Panik -in dem Haus, zwar dem einzigen Eiland voll Tageslicht, aber durch den schwarzen Rauch von der übrigen Welt abgeschnitten. Wir konnten während dieser zwei trostlosen Tage nichts tun, als in schmerzlicher Untätigkeit warten.
    Mein Denken war von Sorgen um meine Frau erfüllt. Ich malte mir aus, wie sie voller Angst und in Gefahr in Leatherhead weilte und mich bereits als einen Toten beklagte. Ich schritt in den Zimmern auf und nieder und weinte laut bei dem Gedanken, durch welche Abgründe ich von ihr getrennt war, und was ihr alles während meiner Abwesenheit zustoßen konnte. Mein Vetter, das wußte ich, würde jeder drohenden Gefahr mutig entgegentreten, aber er gehörte nicht zu jenen Männern, die Gefahren rasch begreifen und rechtzeitig handeln. Was jetzt nottat, war nicht Tapferkeit, sondern Umsicht. Mein einziger Trost war die Vermutung, daß die Marsleute gegen London vorrückten, also fort von Leatherhead. Solche vagen Angstgefühle machen reizbar und leidend. Bei den unausgesetzten Klagerufen des Kuraten wurde ich ärgerlich und gereizt, und der Anblick seiner selbstsüchtigen Verzweiflung ermüdete mich. Nach einigen wirkungslosen Vorstellungen hielt ich mich abseits von ihm und zog mich in ein Zimmer zurück, das Globen, Schulbücher und Hefte enthielt, also offenbar ein Schulzimmer war. Als er schließlich mir auch dahin folgte, floh ich in ein Kofferzimmer auf den Boden des Hauses, in dem ich mich einschloß, um mit meinem Kummer allein zu sein.
    Wir waren durch den schwarzen Rauch den ganzen Tag und den Morgen des nächsten hoffnungslos eingesperrt. Am Sonntag abend gab es Anzeichen, daß im Nachbarhaus noch Leute waren - ein Gesicht am Fenster, hin- und herflackernde Lichter, und später das Zuschlagen einer Tür. Aber ich weiß nicht, wer diese Leute waren, noch was aus ihnen wurde. Am nächsten Tag erblickten wir keine Spur mehr von ihnen. Der schwarze Rauch trieb langsam dem Fluß zu, den ganzen Montagmorgen hindurch; er kroch näher und näher an uns heran und wälzte sich endlich über die Landstraße vor unserm Haus.
    Ein Marsmann kam gegen Mittag über die Felder und vernichtete den Rauch durch einen beißen Dampfstrahl, der gegen die Mauer zischte, alle Fenster, die er traf, zerschmetterte und die Hand des Kuraten verbrühte, als er sich aus dem Vorderzimmer flüchtete. Als wir uns endlich durch die durchnäßten Zimmer schlichen, sah das Land im Norden aus, als wäre ein schwarzer Schneesturm darüber hinweg gebraust. Und als wir zum Fluß hinblickten, waren wir nicht wenig erstaunt, wie dort eine unerklärliche Röte in den schwarz verbrannten Wiesen auftauchte.
    Eine Zeitlang begriffen wir nicht, ob diese Veränderung unsere Lage günstiger gestalten würde, wir sahen nur, daß wir von unserer Furcht vor dem schwarzen Rauch erlöst waren. Aber später begriff ich, daß uns nun nichts mehr aufhielt. Sobald mir klar wurde, daß der Weg zur Flucht offenstand, kehrte auch meine Handlungsfähigkeit zurück. Aber der Kurat war wie erstarrt und keinen Vernunftgründen zugänglich. "Wir sind hier ja sicher", rief er unaufhörlich, "ganz sicher." Ich beschloß, ihn zu lassen, wo er war. Hätte ich es nur getan! Durch die Lehren des Artilleristen klüger geworden, suchte ich jetzt nach Speise und Trank. Ich hatte Jod und Leinen für meine Brandwunden gefunden, auch nahm ich einen Hut und ein Flanellhemd mit; das ich in einem der Schlafzimmer gefunden hatte. Als es dem Kuraten dämmerte, daß ich entschlossen war, allein fort zu gehen, und daß ich mich mit dem Gedanken, allein zu sein, völlig ausgesöhnt hatte, raffte er sich plötzlich auf, mich zu begleiten. Und da während des ganzen Nachmittags alles ruhig blieb, brachen wir etwa um fünf Uhr auf, um die rauchgeschwärzte Straße nach Sunbury einzuschlagen.. In Sunbury und immer wieder längs der Straße lagen rote Körper in verzerrten Stellungen - Pferde sowohl wie Menschen; ferner umgestürzte Karren und Kisten, alles mit einer dicken Schicht schwarzen Staubes bedeckt, Ich erinnerte mich an alles, was ich über die Zerstörung Pompejis gelesen hatte. Ohne weiteren Unfall gelangten wir nach Hampton Court, ganz erfüllt von den seltsamen und ungewohnten Bildern, die wir unterwegs erblickten. In Harapton Court wurden unsere Augen geradezu erlöst, als wir einen grünen Rasenfleck entdeckten, der dem

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