Der Krieg der Zauberer, Band 1: Die Drei Steine (German Edition)
hat, das ist wahrscheinlich unsere einzige, kleine Hoffnung.
„Großmächtiger Gorgon, ich habe das getan, was mein Auftraggeber, Meister Akkurin, von mir verlangt hat. Und da meine Freunde mir dabei geholfen haben – ein bisschen Hilfe kann sicherlich nie schaden – dachte ich, dass es nur recht ist, wenn ich ihnen erlaube, Euch die Kostbarkeit mit mir gemeinsam zu übergeben.“ Der Mucklin verneigte sich tief und machte eine kurze Pause.
„Außerdem“, fuhr er dann fort, „ist es ihr größter Herzenswunsch, die beiden verzauberten Steine – denjenigen, den ich Euch beim letzten Mal gab, und denjenigen, den ich heute mitgebracht habe – einmal nebeneinander zu betrachten. Ein kurzer Blick sollte genügen, dann werden sie gewiss für den Rest ihres Lebens glücklicher sein.“ Mit diesen Worten schlenderte Neimo zu einem hohen Tisch aus schwarzem Marmor, der am vorderen Rand des Schatzhaufens stand und den er gerade so überragte, wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte. Dann nahm er den Lapislazuli heraus, den er den Elben gestohlen hatte, und legte ihn auf den Tisch. „Bitte sehr, edler Herr, das simbelya pennín! Ihr hättet sehen sollen, wie argwöhnisch diese Elben ihn behütet haben und was für dumme Gesichter sie geschnitten haben, als der Stein eines Morgens nicht mehr da war!“, sagte er mit dem gemeinsten, selbstherrlichsten Ton, zu dem er fähig war.
Die riesigen Augenpaare des Drachen bohrten einen misstrauischen Blick in den Verstand des Mucklins, und sie schweiften auch kurz zu Faramon hin, der sich ganz hinten in der Gruppe hielt. Natürlich sah er, dass dieser ein Elb war, doch schien er nicht den Sohn des Hohen Fürsten der Nolori in ihm zu erkennen und ihm durchaus zuzutrauen, ein Verräter an seinem Volk und der einfältige Helfershelfer eines gedungenen Diebes zu sein. Vielleicht fühlte er sich auch einfach so stark (und ein Drache seiner Größe hatte auch allerhand Grund dazu), dass er die merkwürdigen Fremden so oder so für keine Bedrohung hielt. Auf jeden Fall verzog er sein langes Maul letztendlich zu einer schiefen, hässlichen Grimasse und nahm mit einer seiner baumlangen Pranken überraschend geschickt einen kleinen Gegenstand hervor. Im Gegensatz zu dem bläulich-violetten Antlitz des Lapislazuli erglühte das Tigereisen der Zwerge in einem rötlichen-goldenen inneren Licht.
„Sie werden für den Rest ihres Lebens glücklicher sein – das war gut gesagt, hoho! Ich weiß nicht, wie ein unscheinbarer Mucklin wie du ausgerechnet an einen Haufen Menschen als Freunde geraten ist, doch es war keine schlechte Wahl! Menschen haben mich nämlich schon immer am meisten amüsiert! Sie sind zum einen leichtgläubig und können mit ihrer Gier selbst einen dieser hässlichen, bärtigen Zwerge in den Schatten stellen! Aber Ihr sollt Euren Willen haben und für den Rest Eures Lebens glücklicher sein, wie der kleine Neimo so schön gesagt hat, meine Piratenfreunde!“ Dann beugte er sich vor, sodass sein gewaltiger Leib weite Teile des Höhlenbodens in Schatten tauchte, und legte den dibil-nâla neben den Elbenstein.
Dass er uns für dämliche Piraten hält ist gut; dass er so auffällig oft vom Rest unseres Lebens spricht hingegen weniger. Toller Einfall von diesem Mucklin!,
dachte Sigurd.
„Wie prächtig, wie großartig, ja wie geradezu einmalig! Schon in meiner Kindheit haben die Ammen so viele Lieder auf diese herrlichen Edelsteine gesungen – und auf den dritten, der verschollen ist, natürlich ebenso –, sodass ich ganz und gar nicht glauben mag, dass ich nun, da sich der Herbst meines Lebens schon beinahe dem Winter zuneigt, mit meinen alten Augen einen wahrhaftigen Blick darauf werfen darf! Nur eine einzige, kurze Berührung, dann will ich so zufrieden sein, wie ein alter, einfacher Mann mit Gelenkschmerzen und Haarausfall nur sein kann!“, sprach Lotan der Heiler in einem vor gespielter Aufregung hektisch und verzückt klingenden Wortschwall.
Und während der Drache noch darüber zu grübeln schien, wo dieser seltsame Mensch bei seinem langen, schlohweißen Haar, das er auf dem Kopf und im Gesicht zuhauf trug, denn bitte schön an Haarausfall leiden konnte, war der Zauberer auch schon an den schwarz glänzenden Tisch heran und wog die beiden Engelssteine in seinen Händen. Während seine Gefährten den Atem anhielten, warf er sie wie ein Jongleur in die Lüfte, fing sie sicher wieder auf und ließ sie auf die glatt geschliffene Tischplatte zurückkullern.
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