Der Krieg der Zauberer, Band 1: Die Drei Steine (German Edition)
liefen, notdürftig mit dem Taschentuch abwischte, wurden ausgedehnter. „Reiß dich zusammen, Hoss! Die wollen uns mürbe machen – merkst du nicht, dass sie ein perfides Spiel mit uns treiben? Aber alles hat seinen Preis, und das wird der saubere Herr König noch bitter bereuen!“, knurrte Gildagar seinem Begleiter zu, so leise, dass es eigentlich niemand außer ihnen beiden hören konnte.
Dennoch hielt der Haushofmeister, der bereits den nächst höheren Treppenabsatz erreicht hatte, mit einem Mal mit seinem Palaver inne. „Haben die Herren eine Frage oder ein Anliegen an mich? Vielleicht kann ich ihnen behilflich sein?“
Hat dieser geschniegelte Kerl etwa Ohren wie ein Luchs?,
dachte Gildagar. Er schnaubte, während er weiterging, ließ sich jedoch nicht zu einer Antwort hin.
Irgendwann verließen sie dann endlich die schraubenförmige Stiege und betraten einen langen Gang, der ebenso aussah wie all die anderen, die sich exakt unter oder auch noch über ihm befanden. Gemein hatten die Flure allesamt, dass sie überwiegend hellblau gestrichen, schön und geschmackvoll verziert und ausgesprochen lang und breit waren. Ebenso waren die gesamten Etagen, die man über sie erschließen konnte, erheblich großflächiger, als es von außerhalb des Gebäudes den Anschein hatte, was natürlich mit dessen immens hoher Struktur zusammen hing.
Schließlich hielten sie vor einem großen, doppelflügigen Portal an, das aus prächtigem, reinstem Bernstein bestand und von vier Wächtern flankiert wurde, die Piken in Händen hielten. Auf ein Nicken Kumrans hin wichen sie zur Seite, woraufhin der Haushofmeister sachte an die Tür klopfte und sie anschließend einen Spalt weit öffnete. „Eure Gäste, Herr“, sprach er anschließend zu einer Person, die man vorerst nicht sehen konnte, und kaum darauf ging er zuvorderst in den Raum hinein und zog die beiden Torflügel ein gutes Stück auf.
Die Vertreter des Gilderates atmeten erleichtert auf, dass sie ihr Ziel endlich erreicht hatten. Gildagar, der seinen Amtskollegen während des letzten Stücks der Treppe mal gestützt, mal von hinten geschoben hatte, machte sich nun frei von ihm und richtete theatralisch seine Garderobe. Dies hatte zur Folge, dass der schwergewichtige Hoss Nukrem kurzzeitig ins Taumeln kam und nur mühevoll und schwer ächzend sein Gleichgewicht bewahren konnte.
Noch immer völlig fertig von dem anstrengenden Treppensteigen betraten die beiden den Thronsaal des lemurischen Königs und schworen sich, in ihrem Leben niemals wieder irgendeinen Turm zu betreten.
Die beiden Abgesandten der Gilde (bei denen es sich, wenn man den Gerüchten Glauben schenken wollte, auch um deren führende Köpfe handelte) stimmten zunächst eine fadenscheinige Lobhudelei auf den König und das angeblich hervorragende Verhältnis zwischen der lemurischen Krone und der Händlergilde an. Schmallippig lächelnd, warteten sie anschließend vergeblich auf eine Reaktion ihres Gastgebers, sodass sie damit fortfuhren, katzbuckelnd ihre Anliegen vorzutragen und diese durch ausschweifende Argumentationen, bei denen es sich umWahrheit größtenteils um Augenwischereien und puren Unsinn handelte, zu untermalen. Glaubten diese überkandidelten Angeber etwa, sie hätten einen Idioten vor sich, der ihre Absichten nicht durchschaute? Seitdem die Händlergilde gegründet wurde – was nur kurz nach der Gründung Awidons geschah – hatten deren Mitglieder nichts anderes im Sinn gehabt, als sich immer weiter reichende Vorzüge zu gewähren, Mittel und Wege zu ersinnen, wie sie noch reicher und fetter wurden, und zusehends auch nach politischen Einfluss zu trachten. Wie lange sollte man sich das eigentlich noch gefallen lassen?
Arnhelm mochte die Gilde nicht, gelinde ausgedrückt, doch gebot selbst er nicht über die Macht, sie aus seinen Ländern – Lemuria und Rhodrim – völlig fernzuhalten. Auch die Lemurier waren ein Volk der Händler, und die meisten von ihnen hatten sich ebenfalls in der in Awidon ansässigen Gilde organisiert, um ihre Geschäfte und Reisen, die sie unter anderem bis in das weit entfernte Zwergenauen führten, besser, einfacher und sicherer zu gestalten. Zudem unterhielten nicht wenige Gouverneure, einflussreiche Offiziere und andere Amtsleute des großen Reiches Lemuria äußerst enge Bindungen zu Gildeangehörigen, wenn sie nicht selbst nebenher im Warenhandel tätig waren und sich einer eigenen Mitgliedschaft rühmten. Arnhelm war nicht blind und wusste, dass in
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